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wig billigte den Plan, so wie jeden, der seiner Ländersuckt schmeichelte,
und nun wurde rasch zur Ausführung geschritten, nachdem man emsig
geforscht hatte, was wohl irgend einmal zu den erworbenen Ländern
gehört hätte. Plötzlich und mitten im Frieden ließ Ludwig die ange¬
fochtenen Ort- und Grafschaften besetzen, und als der Kaiser und die
deutschen Fürsten, denen er dieselben wegnahm, erstaunt fragten, wie
er zu dieser Gewaltthätigkeit komme, so stellte er sich, als wenn er sich
wundre, daß sie die Gerechtigkeit der Besitznahme nicht einsähen. Er
wußte recht gut, daß er von ihnen nicht viel zu besorgen habe; denn
es herrschte damals auf dem Reichstage, der seit 1667 fortwährend in
Regensburg gehalten wurde, eine solche Unentschlossenheit und Klei¬
nigkeitskrämerei, daß sich die Gesandten der Fürsten selbst über die
unbedeutendsten Dinge, z. B. wer von ihnen den Vorrang haben
sollte, mit der größten Leidenschaftlichkeit stritten, während sie die Be¬
sorgung des Reichswohles unbeachtet ließen. So auch in diesem Falle.
Sie beschwerten sich zwar bei Ludwig über die ungerechte Maßregel,
und schrieben hin und her; aber sie berathschlagten so lange, was sie
thun sollten, bis Ludwig sich in den Besitz dessen, was er haben wollte,
so festgesetzt hatte, daß Niemand ihn wieder daraus vertreiben konnte.
Am meisten schmerzte die Deutschen der Verlust von Straß bürg,
welches von Ludwig durch Ueberrumpelung weggenommen wurde, ob¬
gleich doch im westphälischen Frieden ausdrücklich bestimmt worden war,
daß es bei Deutschland bleiben sollte. Seit dieser ungerechten Hand¬
lung Ludwigs sank Frankreichs Wohlstand sichtlich herab.
Wie aus kleinen Veranlassungen oft große Erfolge entstehen kön¬
nen, davon ist der Krieg von 1688 bis 1697 ein recht auffallendes
Beispiel. Der König ließ sich in dem großen Park von Versailles
das Lustschloß Klein-Trianon bauen. Die Langeweile trieb ihn
oft, nach dem Baue zu sehen. Eines Tages bemerkte er ein Fenster,
welches ihm unsymmetrisch schien. Er machte darüber dem Minister
Louvois, der die Oberaufsicht bei dem Baue führte, Vorwürfe, und
dieser, ärgerlich darüber, äußerte gegen einen Vertrauten: „ich sehe
wohl, es ist Zeit, daß wir dem Könige wieder außerhalb zu thun geben,
damit er sich nicht um jeden Ziegelstein bekümmere." Und nun be¬
redete er den König, dem Kaiser (Leopold I. 1657 —1705) und den
Holländern den Krieg zu erklären, die sich, aufgebracht über die An¬
maßungen Frankreichs, schon seit einigen Jahren verbündet hatten.
Auch Spanien und Savoyen wurden im folgenden Jahre mit in den
Krieg gezogen. Ludwigs Absicht bei diesem Kriege gegen den Kaiser
und Deutschland ging eigentlich dahin, sich der Pfalz unter dem Vor¬
wände, daß seine Schwägerin, die Herzogin von Orleans, eine pfälzi¬
sche Prinzessin sey, zu bemächtigen, und einen französisch-gesinnten
Deutschen, Wilhelm von Fürstenberg, Bischof von Straßburg, zum
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