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Erste Periode der Neuzeit.
umgeben, was blieb ihm übrig, als sich in Geduld zu fassen und
auf jede Bedingung hin die beleidigte Dame zu versöhnen? Hein¬
rich von Braunschweig faßte sich zuerst und brach in lautes Geläch¬
ter aus. Er ergriff den vernünftigen Ausweg, die ganze Sache ins
Lustige zu kehren, und hielt der Gräfin eine Lobrede über ihre lan¬
desmütterliche Sorgfalt und den entschlossenen Mut, den sie bewie¬
sen. Er bat sie, sich ruhig zu verhalten, und nahm es auf sich,
den Herzog Alba zu allem, was billig sei, zu vermögen. Auch
brachte er es bei demselben wirklich dahin, daß er auf der Stelle
einen Befehl an die Armee ausfertigte, das geraubte Vieh den Eigen¬
tümern ohne Verzug wieder auszuliefern. Sobald die Gräfin
der Rückgabe gewiß war, bedankte sie sich aufs schönste bei ihren
Gästen, welche sehr höflich von ihr Abschied nahmen.
Ohne Zweifel war es diese Begebenheit, die der Gräfin den
Beinamen der Heldenmütigen erwarb. Man rühmt noch an ihr die
Standhaftigkeit, mit welcher sie die Reformation in ihrem Lande
förderte. Vielen protestantischen Geistlichen, welche um der Religion
willen verfolgt wurden, gewährte sie Schutz und Beistand. Sie
starb allgemein verehrt und betrauert im 58. Jahre ihres Lebens.
9. In anderer Weise war damals für das Wohl ihrer Hei¬
mat ein armes Mädchen, Barbara Uttmann aus Annaberg,
thätig. Sie war 1514 geboren und gilt als die Erfinderin der
Spitzenklöppelei, worin sie dem armen Landvolk im Erzgebirge
Unterricht erteilte. Dadurch ward sie die Veranlassung, daß seitdem
Tausende in jener Gegend Beschäftigung und Brot fanden. Ihre
uneigennützigen Bemühungen würdigte ein reicher Grubenbesitzer und
wählte sich das fleißige, fromme Mädchen zur Lebensgefährtin. Als
begüterte Hausfrau fetzte sie bis zu ihren letzten Lebenstagen die
Unterweisung des armen Landvolks im Spitzenklöppeln fort, und
gesegnet von Kindern, Enkeln und Tausenden, welche sie vor Not
und Elend gerettet hatte, starb sie 1561. Ihr Grab ziert ein Monu¬
ment von Alabaster mit der Aufschrift:
Ein thätiger Geist, eine sinnige Hand,
Sie ziehen den Segen ins Vaterland.
10. Wie Philipp der Großmütige und Wilhelm V. von
Hessen der Sache des Protestantismus sich ganz hingaben, so sind
auch mehrere hessische Fürstinnen von gleichem Eifer für die
gute Sache beseelt. Philipps Gemahlin Christina, eine Tochter
des Herzogs Georg von Sachsen, eine würdige Mutter ihres