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Zweite Periode der Neuzeit.
Schmerz des Königs über diese Sterbefälle zeigte sich in einer auf¬
fallenden Launenhaftigkeit. Ludwig ward von Tag zu Tag schwächer und
schien seinem Ende nahe zu sein. Früher umgeben von einem zahlreichen
Personale, war erjetzt einsam und verlassen. Nur von zwei Ärzten gewartet,
starb er nach schwerem Kampfe am 1. Sept. 1715 morgens acht Uhr.
§. 11. Jkjjsaiuf und MmetCen.
1. Peter der Große und seine Vorgänger.
Das gewaltige russische Reich war lange Zeit der Tummelplatz
arischer und turanischer Völkerstämme gewesen, welche sich von Vieh¬
zucht und Jagd nährten und in die europäischen Angelegenheiten
nicht eingriffen. Um die Mitte des 9. Jahrhunderts waren die N o r -
mannen, dort Waräger genannt, an den Küsten der Ostsee ge¬
landet und hatten sich die Gegenden vom finnischen Golf bis zum
weißen Meere erobert, wo das stammverwandte Volk der Russen
wohnte. Zwar wurden sie noch einmal von den Slaven verdrängt,
aber bald zur Schlichtung innerer Streitigkeiten zurückgerufen. Sie
erhielten nun die Herrschaft über das Land nach dem Wunsche der
Slaven, und ihr streitbarer Fürst Rurik gründete 862 das russische
Reich, welches seinen Sitz in Nowgorod am Jlmensee hatte.
Rurik ward der Stammvater eines Fürstenhauses, welches bis 1598
über Rußland herrschte. Seine Nachfolger verlegten ihre Residenz
nach Kiew und trotzten dem griechischen Kaiser einen Tribut ab.
Wladimir der Große (980 —1015) erzwang sich sogar die
Hand einer griechischen Kaisertochter, einer Schwester Theophanias,
welche den deutschen Kaiser Otto II. geheiratet hatte, und ließ sich
988 taufen. Er führte das Christentum nach dem Sehrbegriffe
der griechischen Kirche ein und erhob es zur Landesreligion. Die
Teilung des Reiches unter die zwölf Söhne Wladimirs führte
innere Kriege herbei, und die von Wladimir angeordneten Gro߬
fürsten zu Kiew waren nicht mächtig genug, das Ganze zusammen
zu halten. Die Zwistigkeiten im Innern dauerten über 200 Jahre
fort bis zur Eroberung des ganzen Reiches durch die Mongolen.
Erst als diese in sich selbst zerfielen, gelang es dem Großfürsten
Iwan Wasiljewitsch von Moskau (1462 —1505), wohin sein
Großvater nach Kiews Eroberung durch die Sittauer die Residenz
verlegt hatte, sein Reich wieder zu befreien, Nowgorod, die reiche
Hansastadt, welche sich eine republikanische Verfassung gegeben hatte,
zu erobern und sein Land zu vergrößern. Mit Erfolg weckte er
unter feinem rohen Volke die ersten Keime europäischer Bildung,