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düng steht. Es hat einen fesselnden Reiz, zuzusehen, wie die Wage in
breitem Zuge heranrollt, und wie sie sich nahe am Ufer aufrichtet, wie
ein Roß, das zum Sprunge ansetzt. Aber der Sprung gelingt nicht.
Ihr Fuß wird vom Strande zurückgehalten, und sie stürzt donnernd
in sich zusammen, und was sie noch ans Land wirst, das sind Fluten,
aber keine Wogen mehr. Weh dem, der in diesen Streit von Wasser
und Land gerät! Was sind auch die besten Schwimmkünste gegen
diese Kräfte! Wie ein Hammer Schlag auf Schlag gibt, so folgt eine
Woge hinter der anderen her, und noch ehe der Strand unter der
Wasserflut aufatmet, steht die nächste Woge da und wiederholt ihren
Angriff.
Gegen solche Flut im Boot auszufahren, scheint eine Unmöglichkeit,
und doch unternimmt's der Mensch, und noch dazu in einem solchen
zerbrechlichen Dinge, wie es auch das beste Rettungsboot ist.
Fritz Anders.
184. Ein Gang durch die Reichshauptstadt.
1. Der deutschen Kaiserstadt gilt unser Besuch. Kaum hat das
keuchende Dampfroß die alte Festung Spandau verlassen, so wachsen in
der Ferne vor unsern erstaunten Augen allmählich große Häusermassen
aus der Erde hervor, die mit ihren freundlichen, blumengeschmückten
Balkönen den Blick gefangen nehmen. Immer größer wird das Schienen¬
gewirr, immer heftiger das Rasseln beim Durchfahren der Weichen, immer
lauter und belebter der Bahnverkehr, und ehe wir's uns versehen, läuft
der Zug in die gewaltige Halle des Lehrter Bahnhofs ein. Hinaus
drängt die Menge der Reisenden. Wir steigen zu dem daneben liegenden,
gleichnamigen Bahnhof der Stadtbahn hinauf.
2. Die Stadtbahn bildet mit der erst neuerdings angelegten
elektrischen Hoch- und Untergrundbahn das wichtigste innere Verkehrs¬
mittel Berlins. Auf stockwerkhohen, steinernen Bogen erbaut, die fast
alle als Lager- und Verkaufsräume oder als Gastwirtschaften verwandt
werden, zieht sie sich wie ein schlängelndes Baud von Charlottenburg im
Westen quer durch die Stadt bis Rummelsburg im Südosten. An beiden
Enden schließt sie sich an die Ringbahn, die in zwei gewaltigen Ringen
den Norden und den Süden der Millionenstadt mit dem Innern ver¬
bindet. Die Hoch- und Untergrundbahn fährt bald unter, bald über der
Erde, mit rasender Schnelligkeit durch den Süden der Stadt. Daneben durch¬
sausen zahllose elektrische Straßenbahnwagen die verkehrsreichen Straßen.
Sie bilden eine beständige Gefahr für die Fußgänger und sind daher in
einigen der belebtesten Straßen verboten. Zur Zeit liegen schon Pläne vor,
die den innern Verkehr unter den Straßen und Häusern hinführen wollen.
Doch treten wir unsre Fahrt aus der Stadtbahn an! Eine Fahrkarte für zehn