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das Leben beider Herrscher. Fiedrich Wilhelm III. war eine stille
Natur; er entschied in den Regierungsgeschäften, aber er beriet erst
darüber mit seinen Räten und ließ die Beschlüsse durch seine Beamten
ausführen. Er liebte Einfachheit und Ruhe. Köuig Friedrich Wilhelm IV.
liebte es, selbst zum Volke zu reden, selbst zu entscheiden und zu handeln.
Aber beiden Herrschern war gemeinsam die Frömmigkeit, der Ernst und
die treue Pflichterfüllung.
Anwendung. Auch für uns gilt der Wahlspruch: „Ich und mein
Haus wollen dem Herrn dienen". Wenn jede Familie im Dienste Gottes
lebt, dann wird es auch dem ganzen deutschen Volke wohl ergehen.
Denn das Volk besteht nur aus einer Menge von einzelnen Menschen
und einzelnen Familien. Wer also für Gottesfurcht und Gerechtigkeit
in seiner Familie sorgt, der erfüllt nicht allein feine Pflicht gegen Gott,
sondern auch gegen das Vaterland.
2. Die preußische Verfassung.
Woröemerkung. Die Kenntnis der preußischen Verfassung muß
eigentlich bei jedem Preußen vorausgesetzt werden, da das gesamte öffent¬
liche, gesellschaftliche und praktische Leben und die Gesetzgebung des Staates
diese Bekanntschaft erfordern. In vielen Ländern (Frankreich, der Schweiz,
Nordamerika) bildet die Verfaffnngsknnde ein besonderes Unterrichtsfach;
bei uns wird sie in besser entwickelten Schulen in den Geschichtsstunden
der Oberstufe und besonders in der Fortbildungsschule zu behandeln sein.
Mit einem größeren oder kürzeren Auszuge aus der Berfassungsurkunde
wird allerdings den Schülern wenig gedient sein, da dessen Verständnis
schon ziemlich bedeutende Vorkenntnisse verlangt, welche den erst ins
Leben tretenden Schülern fehlen; es bedarf vielmehr dazu einer Ein¬
führung, welche nicht nur das Verständnis, sondern auch das Pflicht¬
gefühl jedes Staatsbürgers ausbilden soll. Diesem Zwecke sollen die
nachfolgenden Ausführungen dienen. Im großen und ganzen wird meist
der geschichtlich-beschreibende Weg gewählt werden müssen, weil für eine
entwickelnde Methode die Anknüpfungspunkte im Wissen der Schüler fehlen.
Woröereitung. Viele von euch haben schon in der Zeitung vom
„Abgeordnetenhause" gelesen; ihr alle habt vor — Jahren gehört, daß
an einem Tage die Schule ausfiel, weil Wahlen zum Abgeordnetenhause
stattfanden. Viele von euch haben schon zu Hause davon sprechen hören,
daß die Regierung neue Gesetze vorschlage (Stenern!) und ob die Ab
geordneten wohl dafür stimmen würden. — Ihr wisset alle, daß ihr
den Gesetzen gehorchen müßt und daß derjenige bestraft wird, der gegen
die Gesetze handelt; daß neue Gesetze gegeben und andere aufgehoben
werden. Über alle diese Verhältnisse giebt uns die Verfassung
Auskunft.
I. Geschichtliche Entwickelung.
Darbietung. 1. Um ein Land zu regieren, d. h. in Ordnung zu
halten, braucht der Fürst Beamte; um es gegen äußere Feinde zn
schützen, braucht er Soldaten. Der Unterhalt beider, ferner die Ein¬
richtung von Kirchen, Schulen, öffentlichen Wohlfahrtsanlagen erfordert