Full text: Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte

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Alex. v. Humboldt (f 1859) beherrschte alle Gebiete der Naturforschung 
und stellte die Einheit der Kräfte des Weltalls in seinem „Kosmos" 
dar. Leopold v. Ranke (ff 1886) schrieb seine klassischen Geschichts¬ 
werke. Karl Ritter wies der Erdkunde neue Bahnen. Just. v. Liebig 
(f 1873), der Schöpfer der heute so unendlich wichtigen Chemie, lehrte 
die Verwertung der Naturkenntnis im gewerblichen, häuslichen und land¬ 
wirtschaftlichem Berufe. Siemens brachte die Elektrizität und Helm- 
holtz die Optik (Lichtlehre) zu ungeahnter Entfaltung und Benutzung. 
In alle Volkskreise dringen jetzt die Ergebniffe der Wissenschaft 
durch volkstümliche Bücher und Zeitschriften. Sie verdrängen mehr und 
mehr den Aberglauben und befruchten eine denkende Arbeit. 
Gewerbthätigkeit, Handel und Verkehr haben in Deutschland 
einen unglaublichen Aufschwung genommen. England und Frankreich 
sehen mit Neid und Bangen, wie ihnen die deutsche Industrie ein Gebiet 
nach dem andern entreißt. Auf dem Weltmärkte wächst Deutschlands 
Bedeutung von Jahr zu Jahr. „Seine Zukunft liegt auf dem Wasser!" 
hat der Kaiser gesagt. Seine Handelsflotte ist die zweitgrößte der Welt. 
Seine Kriegsflotte wird immer stärker und größer. Dampfkraft und 
Elektrizität sind jetzt die weltbewegenden Kräfte. Das Netz der Eisen¬ 
bahnen bekommt immer mehr Maschen, jetzt durch viele Kleinbahnen. 
Fernschreiber und Fernsprecher verbinden Häuser, Dörfer, Städte, Länder 
und durchkreuzen die Ozeane. Die Posteinrichtungen haben eine hohe 
Vervollkommnung erreicht. Überall werden Kanäle, so der Nord-Ostsee¬ 
kanal, als billige Wasserstraßen gebaut. Die fernsten Dörfer sind jetzt 
durch Kunststraßen zu erreichen. Die Chemie unterstützt mit ihren 
Erfindungen die Industrie in trefflicher Weise. Die billigen Anilinfarben 
ersetzen die teuern Pflanzenfarben. Photographie, Lithographie und 
Schnellpressendruck werden fortgesetzt vervollkommnet. Die deutschen 
Maschinenfabriken, Metallwaren und Webestoffe haben Weltruf. Sogar 
in Schmucksachen und Modewaren läuft Deutschland dem alten Gegner 
Frankreich den Rang ab. 
Das häusliche Leben ist durch den gewerblichen Aufschwung ge¬ 
waltig beeinflußt worden. Die Wohlhabenheit ist gestiegen, der Erwerb 
leichter und reichlicher geworden. Die Städte wachsen zur Riesengröße 
an. Die Befestigungen fallen und verwandeln sich in einen Gürtel 
schöner Gartenanlagen. Breite Straßen mit schöner Pflasterung durchziehen 
die neueren Stadtteile. Alte Bauwerke verschwinden, und Prachtbauten 
erstehen. Taghell sind die Nächte gelichtet durch künstliche Beleuchtung. 
Wasserleitungen führen gesundes Wasser in alle Häuser. Das Feuer¬ 
löschwesen ist aufs beste eingerichtet. Der öffentlichen Gesundheitspflege 
und Sicherheit wird die größte Aufmerksamkeit zugewandt. Bis auf die 
fernsten Dörfer geht der Fortschritt in der Lebensführung. Die Häuser 
sind sauber, die Straßen fest, die öffentlichen Gebäude stattlich, die 
Straßenbeleuchtung nicht selten städtisch. Ziergärten, Vorhänge, Teppiche, 
Pianinos, Rollwäglein u. dgl. sind fast gemeine Dinge auch auf Dörfern. 
Leider hat dieser erfteuliche Fortschritt auch seine Kehrseite: Die Preise 
aller Lebensbedürfnisse sind gestiegen. Die Vergnügungssucht ist ge-
	        
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