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und auf kurze Zeit erscheint? Wie mag es auch Brandenburg in dem Zeitraum
von 1320-1411 gegangen sein? Ihr sollt nun hören, wie ein Geschichtsschreiber
früherer Zeit die Zustände in der Mark unter Jobst von Mähren schildert.
Aaröietung. 1. Dieser Markgraf Jodokus (Jobst) aber, weil er die Mark für
eine ausgezahlte Summe Geldes inne gehabt und nicht ein rechter Hirte war
des die Schafe eigen gewesen, so hat er sich auch ihrer nicht so angenommen^
wie es sich billig gebührte, sondern ist wie ein Mietling mit ihnen umgegangen,
so daß er mehr ein Verwüster als ein Schützer oder Vater des Vaterlandes
hätte sollen genannt werden.
2. Denn er hat nicht allein die Unterthanen mit gar drückenden Leistungen
und Landesbürden beschwert und über die Maßen belegt und gleichsam den
Schafen die Haut über die Ohren abgezogen, Städte und Schlösser versetzt, auf
daß er seinen unersättlichen Geiz füllen (stillen) möchte, sondern hat auch dem
Adel durch die Finger gesehen, mit ihnen zusammen gleiches Spiel getrieben
und ihren Frevel und mutwilliges Thun alles hingehen lassen, so daß, je näher
man der Mark kam, es um so besorglicher und gefährlicher gewesen ist, zu reisen,
zu handeln und zu wandeln.
o. Denn der Adel hat nicht allein auf offenen, freien Straßen die Fremden
bereuet und beschädigt, sondern auch des Landes Einwohner nicht gescheut,
dieselben geschlagen, verwundet, getötet, gefänglich weggeführt, gestäupt, gepflöckt,
beschatzt und so Übel behandelt, daß schier ein Bürger nicht hat sicher vor das
Thor spazieren gehen dürfen. Sie haben die Städter in der Ernte an ihrer
Arbeit verhindert, davongejagt, das Getreide vernichtet, das Rindvieh und die
Schweine vor den Thoren geraubt und weggeführt, was sie haben bekommen
können, und sie haben sich weidlich und meisterlich aus dem Stegreif genährt
und bemeistert.
4. Obwohl nun die armen Städte in dieser großen Bedrängnis und dem
Drucke des übermütigen Adels nirgends Trost, Rat und Hilfe zu suchen wußten,
als bei ihrer gebührlichen Obrigkeit, weswegen sie sich schriftlich und mündlich
an den Markgrafen Jodokus wendeten und ihn um Einsehen, Schutz und Rettung
baten, obgleich er auch pro forma einige Statthalter und Verweser der Mark
verordnete, so ist’s doch um sie so beschaffen gewesen, daß, wenn sie es gut ge¬
meint, sie wenig Gehör und Gehorsam bei dem Adel gefunden haben. Oder
aber dem Markgrafen sind mit Gaben und Geschenken die Augen und Ohren
also verkleidet und verstopft worden, daß er nicht hat sehen und glauben können,
daß in derselben Weise, wie der Wolf im Schafstalle hauszuhalten pflegt, auch
seinen Unterthanen tyrannischer Weise mitgespielt würde. Wenn er schon einmal
bie Mark besuchte, was aber nicht oft geschehen, und jeder gute Hoffnung schöpfte,
nun würbe er sich ber Unterthanen Not annehmen unb sie von solcher Be¬
schwerung unb Unterbrückung gänzlich befreien, so hat er alles in ben alten
Zustänben gelassen. Wie früher ist er bei seiner Absicht geblieben, wie er aus
der Mark seinen Beutel spicken unb füllen möchte, es geschehe mit ober ohne
Gott, mit gutem ober bösem Gewissen, mit Recht ober Unrecht, zu ber Unter¬
thanen Nutzen ober Schaben, so baß bem Abel Thor unb Fenster sinb aufgethan
worben, bie armen Unterthanen zu brücken, zu ängstigen, zu beschäbigen und
unbarmherzig zu Plagen.