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Einleitung.
Chriemhil¬
dens Weh¬
klagen.
Fahrt an
Etzels Hof.
Chriemhil-
dens blutige
Rache.
Hagen nahm ihr den ererbten Nibelungenschatz, fuhr ihn auf 12 Wagen
fort und versenkte ihn in den Rhein.
Chriemhilde hoffte lange vergeblich den Tod ihres Gemahls an
Hagen rächen zu können. Da erschienen eines Tages Brautwerber des
Königs Etzel aus Hunnenland und hielten für ihren Herrn um Chriem-
hildens Hand an. Sie willigte ein, fuhr die Donau hinab nach Etzels
Burg und lebte sieben Jahre an seinem Hof. Endlich schien ihr der
Tag der Rache gekommen, um Siegfrieds Mörder zu strafen, und sie lud
Günther mit seinen Mannen zum Besuche nach Etzels Burg ein. Hagen
wid errieth die Fahrt, die übrigen Helden verlachten ihn, und Hagen
sagte Aller Untergang voraus. Die Reise wird angetreten. 1060 Ritter
fuhren mit 9000 Knechten den Main hinauf, Hagen führte sie. Vom
Main ritten sie zur Donau, fuhren stromabwärts und fanden bei Rüdiger
von Pechlarn gastliche Aufnahme. Giselher verlobte sich mit Rüdigers
Tochter, und Dietrich von Bern geleitete die Burgunder zur Burg
Etzels in Osen. Chriemhilde empfing die Helden freundlich und küßte
ihren Bruder Giselher, aber Hagen band sich den Helm fester, da er
hinter dieser Freundlichkeit Schlimmes ahnte. Auch lieferte er die Waffen
nicht aus und fetzte sich im Königshofe sogar auf eine Bank dem Fenster
der Königin gegenüber, um sie zu kränken. Da weinte Chiemhilde
und forderte ihre Ritter aus, Hagen zu strafen; sie selbst aber schritt
auf Hagen zu, der vor ihr nicht einmal aufstand, weinte und warf
ihm Siegfrieds Ermordung vor. Hagen läugnete nicht und ging mit
Volker in den Saal, wo die Burgunder übernachteten und Wachen
ausstellten. Am folgenden Tage ward ein Hunne im Turnier von
Volker erschlagen, und sogleich erhob sich Tumult. König Etzel gebot
vergeblich Friede, sein Bruder überfiel die Burgunder und ward über¬
wältigt. Als die Nachricht davon an die königliche Tafel kam, sprang
Hagen auf, hieß die Saalthüre besetzen und schlug Chriemhildens Sohn
Ortlieb den Kopf ab, daß er Chriemhilden in den Schoß flog. Nun
begann ein allgemeiner Kampf. Die Burgunder hieben kräftig ein.
Dietrich von Bern rettete Etzel, Chriemhilde, Rüdiger und die Seinen
aus dem Saal, da er am Kampfe keinen Antheil nehmen wollte. Alle
übrigen Hunnen, an 7000 Todte und Verwundete, wurden aus dem
Saale geworfen. Die Burgunder begehrten freien Abzug, doch Chriem¬
hilde widerrieth die Gewährung und verlangte Hagens Auslieferung.
Günther, Giselher und Gernot wollten aber an ihrem tapfersten Manne
nicht untreu werden und schlugen Chriemhildens Forderung ab. Jetzt
ließ sie den Saal anzünden, und die Burgunder kamen in große Noth,
denn Durst und Hunger quälten sie. Da rieth Hagen, Blut zu trinken