Full text: Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg (Teil 4)

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Zweifel trieb ihn immer stärker zum Suchen nach Wahrheit und Ge¬ 
wißheit. Und so wurde sein Herz empfänglich, als freundliche Menschen 
ihm die evangelischen Gedanken von der Gnade Gottes und von dem 
Frieden des Glaubens zuriefen. Er verarbeitet nun diese neuen Ge¬ 
danken in scharfem Denken und heißem Gebet, kämpft mit den 
alten entgegengesetzten Gedanken und ringt sich allmählich von ihnen 
los, und endlich geht in seinem Herzen das volle Licht der evangelischen 
Wahrheit auf, und damit kommt auch der heißerfehnte Frieden und die 
Freude der Gotteskindschaft. Wir werden also Luther nicht tadeln 
wegen seines Zweifels und seiner Verirrung, denn sie sind unverschuldet, 
und gerade in ihnen bewähren sich seine schönsten Tugenden: Wahr¬ 
haftigkeit, Gottesfehnsucht, Empfänglichkeit für das 
Evangelium von der Gnade. 
Viertes Stück. 
Luther Kommt nach Wittenöerg. 
Zur Erklärung des Textes. 
„Superintendent = Auffeher. — „Alte Kirchenlehrer" = be¬ 
rühmte Schriftsteller der alten katholischen Kirche; ihre Lehren bildeten 
den Inhalt der an den Hochschulen gelehrten Theologie (Gottesgelehrt¬ 
heit), der „Schultheologie." — „Gründlicher" = besser begründet. 
Zur Erläuterung und Ergänzung. 
Friedrich der Weise wollte, daß auch das Kurfürstentum Sachsen, 
das seit 17 Jahren vom Herzogtum Sachsen (hier die Universität Leipzig) 
getrennt war, eine Universität haben sollte, und wählte zur Universitäts¬ 
stadt Wittenberg, damals eine kleine, dürftig gebaute Stadt mit etwa 
3000 Einwohnern. (Karte!). Den Universitätslehrern wies der Fürst 
zu ihrem Unterhalt die Einkünfte feiner Schloßkirche zu, eine Anzahl 
Lehrämter wollte er mit Augustinermönchen besetzen, die also Wohnung, 
Nahrung und Kleidung im Wittenberger Augustinerkloster erhielten. 
Luther siedelte also einfach von einem Kloster ins andere über, indem 
er mit dem Stab in der Hand von Erfurt nach Wittenberg wanderte 
(Gepäck, Möbel?), und das that er auf Befehl seines Ordensmeisters, 
der ihm nicht einmal so viel Zeit gab, daß er zuvor seine Freunde in 
Eisenach und seine Angehörigen in Mansfeld besuchen konnte. Zuerst 
konnte Luther zu seinem Bedauern nur Vorlesungen über Weltweisheit 
halten, da er nur in dieser Fakultät Magister war, aber nach einem 
halben Jahre schon hatte er sich durch ein Examen den Rang eines 
biblischen Baccalaureus (der unterste Grad in der theologischen Fakultät) 
erworben und durste jetzt Vorlesungen über die heilige Schrift halten. 
Dabei wird er besonders bei der Lektüre des Römerbriefes gegen die 
übliche Theologie, d. H. gegen die Lehre von den guten Werken, gestritten 
haben und auf Grund seiner Klostererfahrungen nachgewiesen haben, daß
	        
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