Er hinterließ seiner Witwe ein kleines, baufälliges Häuschen, einen
Kartoffelacker vor dem Tore und zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter.
Mit dem Spinnrocken verdiente sie Milch und Butter, um die Kartoffeln zu
kochen, die sie pflanzte, und ein kleines Witwengehalt, das der Armenpfleger
jährlich auszahlte, nachdem er es jedesmal einige Wochen über den Termin
hinaus in seinem Geschäfte benutzt, reichte gerade zu dem Kleiderbedarfe und
einigen anderen kleinen Ausgaben hin.
Besagte Kinder aber zeigten verschiedene Eigenschaften. Der Sohn war
ein unansehnlicher Knabe von vierzehn Jahren, mit grauen Augen und ernst¬
haften Gesichtszügen, welcher des Morgens lang im Bette lag, dann ein
wenig in einem zerrissenen Geschichts- und Geographiebuche las und alle
Abend, sommers wie winters, auf den Berg lief, um dem Sonnenuntergange
beizuwohnen, welches die einzige, glänzende und pomphafte Begebenheit war,
welche sich für ihn zutrug. Sie schien für ihn etwa das zu sein, was für
die Kaufleute der Mittag auf der Börse, wenigstens kam er mit eben so
abwechselnder Stimmung von diesem Vorgänge zurück, und wenn es recht
rotes und gelbes Gewölk gegeben, welches gleich großen Schlachtheeren in
Blut und Feuer gestanden und majestätisch manövriert hatte, so war er eigentlich
vergnügt zu nennen.
Dann und wann, jedoch nur selten, beschrieb er ein Blatt Papier mit
seltsamen Listen und Zahlen, welches er dann zu einem kleinen Bündel legte,
das durch ein Endchen alte Goldtresse' zusammengehalten wurde. In diesem
Bündelchen stak hauptsächlich ein kleines Heft, aus einem zusammengefalteten
Bogen Goldpapier gefertigt, dessen weiße Rückseiten mit allerlei Linien, Figuren
und aufgereihten Punkten, dazwischen Rauchwolken und fliegende Bomben,
gefüllt und beschrieben waren. Dies Büchlein betrachtete er oft mit großer
Befriedigung und brachte neue Zeichnungen darin an, meistens um die Zeit,
wenn das Kartoffelfeld in voller Blüte stand. Er lag dann im blühenden
Kraute unter dem blauen Himmel, und wenn er eine weiße, beschriebene Seite
betrachtet hatte, so schaute er dreimal so lange in das gegenüberstehende,
glänzende Goldblatt, in welchem sich die Sonne brach. Im übrigen war es
ein eigensinniger und zum Schmollen geneigter Junge, welcher nie lachte und
aus Gottes lieber Welt nichts tat oder lernte.
Seine Schwester war zwölf Jahre alt und ein bildschönes Kind mit
langem und dickem braunen Haare, großen braunen Augen und der aller-
weißesten Hautfarbe. Dies Mädchen war sanft und still, ließ sich vieles gefallen
und murrte weit seltener als sein Bruder. Es besaß eine helle Stimme und
sang gleich einer Nachtigall: doch obgleich es mit all diesem freundlicher und
lieblicher war als der Knabe, so gab die Mutter doch diesem scheinbar den
Vorzug und begünstigte ihn in seinem Wesen, weil sie Erbarmen mit ihm
hatte, da er nichts lernen, und es ihm wahrscheinlicherweise einmal recht schlecht
ergehen konnte, während nach ihrer Ansicht das Mädchen nicht viel brauchte
und schon deshalb unterkommen würde.
Dieses mußte daher unaufhörlich spinnen, damit das Söhnlein desto mehr
zu essen bekäme und recht mit Muße sein einstiges Unheil erwarten könne.
Der Junge nahm dies ohne weiteres an und gebärdete sich wie ein kleiner
Indianer, der die Weiber arbeiten läßt, und auch seine Schwester empfand
hiervon keinen Verdruß und glaubte, das müsse so sein.