669
(S ^oden des positiven Christentums. Seine Religion war ein völliges
wyhingeben an die Natur (Naturreligion, Naturalismus). Darum findet sich
auch des Anstößigen und sittlich Bedenklichen vieles bei ihm, weshalb die Mehr¬
zahl seiner Werke keine Lektüre für die Jugend ist.
Um Goethes reiche dichterische Thätigkeit einigermaßen überschauen zu können,
"gen hier die Hauptepochen seiner Entwicklung nebst den wichtigsten Werken
erwähnt werden.
U Die Zeit der Naturpoesie bis 1775.
Die beiden größeren Jugendprodukte Goethes, womit er noch der Sturm¬
und Drangperiode angehört, sind: a) Das Schauspiel „Götz von Berlichingen"
h ^73). Ex stellt darin die Auflösung des deutschen Mittelalters dar und
Na)m den Stoff aus einer Selbstbiographie des genannten Ritters. Setzt sich
se Dichter auch über die von Lessing aufgestellten Regeln, namentlich über
der Zeit und des Ortes, kühn hinweg, so ist doch die Zeichnung der
^haraktere ganz meisterhaft, die Sprache voll Kraft und Mark. Die Wirkung
ar außerordentlich, denn die Bewunderung von ganz Deutschland wandte sich
ein jugendlichen Dichter zu. 5) „Die Leiden des jungen Werther"
ßj' ^4)- In diesem größtenteils in Briefform abgefaßten Roman schildert
oethe die krankhafte Sentimentalität seiner Zeit, die auch ihm selbst nicht
llemd geblieben war. W. Menzel sagt darüber: „Das Jünglingsideal der
futschen Dichtung, einst der tapfere, treue, anspruchslose, arbeit- und thaten-
'uche Sifrit, wurde jetzt der schmachtende, weinerliche, faule, feige und doch
^ffpruchsvolle und im Egoismus erstickende Werther. Indem sich die gebildete
Fa *^efen erbärmlichen Gesellen interessierte, verriet sie ihre ganze sitt-
^che Fäulnis und Charakterschwäche."
9 .2. Übergang vou der Naturpoesie zur klassischen Kunstpoesie (erster
Enthalt in Weimar, 1775—1786).
Hier entstanden zunächst eine Reihe von kurzen Gelegenheitsgedichten,
wehrere Singspiele und Operetten, wie die ersten Versuche im antiken Epi-
^sinin; ferner die Balladen: Sänger, Fischer, Erlkönig u. a., worin der
^)ter, angelehnt an ältere Volkslieder, das Geheimnisvolle der Naturmächte
M steifender Wirkung gestaltet. Wichtiger waren die Anfänge seiner spätern
ffsiterwerke Egmont, Iphigenie, Tasso (zuerst alle in Prosa) und zu
^llhelm Meister.
^ 3- Erste Hälfte der Periode der klassischen Kunstpoesie (von der ersten
nach Italien bis zur gemeinsamen Thätigkeit mit Schiller, 1786—1794).
Der zweijährige Aufenthalt in Italien, wo Goethe in Venedig, Rom,
eapel und auf Sicilien weilte, das Anschauen und Studium der antiken
unittoerfe bildet den Hauptwendepunkt in seinem Leben. Er selbst bezeichnet
wse Zeit als die seiner geistigen Wiedergeburt. Er gewann hier die Über-
Zfugung, daß das wahre Wesen der Kunst nicht in der Nachahmung der ge¬
wöhnlichen Natur, sondern in der Idealität beruhe, und unternahm daher
^chsi eine Überarbeitung der früheren Werke. Egmont wurde umgearbeitet
. vollendet, Iphigenie und Tasso in Verse gebracht. Die glückliche Ein-
wwkung Italiens auf sein Gemüt und seine Bildung spricht er besonders in
en ^Römischen Elegieen" aus.
. In dem Trauerspiel Egmont verteidigt der Hauptheld die Selbständigkeit
>eines Volkes und die den niederländischen Provinzen verbrieften Rechte gegen