Full text: Lehrbuch der Geographie für die mittleren und oberen Klassen höherer Bildungsanstalten sowie zum Selbststudium

§. 31. Die verschiedenen Culturzuständc der Menschheit. 99 
medanern bewohnten Landschaften zur Folge hat. Gegenwärtig ist der 
Muhamedanismus in den meisten Ländern in innerlicher Fäulnis und 
Zersetzung begriffen, die nur schlecht verdeckt wird durch einen häufig 
auflodernden Fanatismus. Nur in Afrika ist er noch lebendiger. Das 
ist auch die einzige Stelle, wo er, unter den Negern, eine friedliche 
Missionsthätigkeit entwickelt, deren Erfolge sehr bedeutend sind. 
Die verschiedenen Culturzustande der Menschheit. §. 31. 
Wir können in dieser Beziehung alle Völker der Erde in drei Classen 
bringen. Die erste Classe umfaßt solche Völker, bei denen alles Streben 
nur auf die Erhaltung des Individuums oder höchstens der Familie 
gerichtet ist. Die Thätigkeit solcher Völker ist daher ganz aus die Außen¬ 
welt gerichtet. Von ihr sind sie vollständig abhängig und mit ihrer 
ganzen Lebensweise sind sie an die sie umgebende Natur gebunden. Wir 
nennen sie Naturvölker. 
In der zweiten Classe tritt aber daneben noch ein anderes Streben 
auf. Es hat sich eine gewisse Volkstümlichkeit und das Bewußtsein 
von derselben im Gegensatz zu anderen Volkstümlichkeiten entwickelt. 
Damit hängt das Bestreben nach Bewahrung derselben zusammen. Die 
hierher gehörigen Völker wollen also die Erhaltung des Volkes als eines 
Ganzen und sind bereit, dieselbe entweder durch staatliche Institutionen, 
die oft einen religiösen Charakter tragen, oder durch Waffengewalt zu 
bewahren. Sie Pflegen — man denke nur an die Chinesen, die Inder, 
die alten Aegypter, die Peruaner — ihre Volksthümlichkeit als die 
einzig berechtigte anzusehen und ihre Bildung entweder ausschließlich für 
sich in Anspruch zu nehmen, so z. B. die alten Inder, oder mit Waffen¬ 
gewalt den Nachbarnationen aufzudrängen, wie es bei den Peruanern 
der Fall war. Wir wollen diese Völker Culturvölker nennen. 
In der dritten Classe finden wir diejenigen Völker, bei denen das 
Streben ein allgemeineres wird, indem sie die Einheit des Menschen¬ 
geschlechts anerkennend, die gemeinsamen Interessen der Menschheit als 
das Höchste setzen, neben dem die Interessen des einzelnen Volkes nur 
eine untergeordnete Berechtigung haben. Sie sind nicht gleichgültig gegen 
das eigene Volksthnm, aber sie suchen es nicht ausschließlich zur Geltung 
zu bringen. Sie lernen die Kunst- und Literaturwerke aller Völker 
schätzen, erkennen die Berechtigung fremder Volkstümlichkeiten neben der 
eigenen gern an und suchen diese nach ihrem Ursprünge und in ihrem 
geschichtlichen Wandel zu begreifen. Davon ist daun aber die Folge, 
daß die eigene Anschauungs- und Denkweise durch jene Erfahrungen 
mächtig verändert wird, so daß neben dem allgemein Menschlichen das 
speciell Volkstümliche in den Hintergrund tritt. Solche Völker wollen 
wir humane Völker nennen. Es gehören dazu säst nur die germanischen 
Völker Europas. 
Eine andere Einteilung der Völker ergibt sich aus ihren Beschäf¬ 
tigungen. Auf der niedrigsten Stelle stehen im Allgemeinen die Sammel¬ 
völker. Sie bewohnen entweder, wie die Neu-Holländer, das Innere 
eines Halbwüsten Continents, oder von eßbaren Pflanzen fast entblößte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.