Full text: Für die unteren Klassen (Bd. 1, [Schülerband])

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Der König ging leise in sein Zimmer zurück, holte eine Rolle 
Goldstücke und steckte sie mit dem Briefe in die Tasche des ruhig 
sortschlummernden Edelknaben. Bald darauf klingelte er so stark, 
daß der Page erwachte. „Du hast wohl geschlafen!" fragte der 
König. Der Page stammelte eine halbe Entschuldigung und eine halbe 
Bejahung her. Dann fuhr er in der Verwirrung mit der einen Hand 
in die Tasche und ergriff betroffen die Rolle. Er zog sie hervor, ward 
blaß und sah den König mit Tränen in den Augen an, ohne ein Wort 
reden zu können. „Was ist dir?" fragte der König. „Ach, Majestät." 
erwiderte der Page, während er vor ihm auf die Knie fiel, „man will 
mich unglücklich machen! Ich weiß von diesem Gelde nichts." — 
„Ei," sagte der König, „wem es Gott gibt, dem gibt er's im Schlafe. 
Schick's nur deiner Mutter, grüße sie und versichere ihr, daß ich für 
dich und für sie sorgen werde." 
3. König Friedrich und sein Nachbar. 
(Johann Peter Hebel.) 
Der König Friedrich II. von Preußen hatte acht Stunden von 
Berlin ein schönes Lustschloß und war gerne darin, wenn nur nicht 
ganz nahe dabei die unruhige Mühle gewesen wäre. Denn erstlich 
stehen ein königliches Schloß und eine Mühle nicht gut nebeneinander, 
obgleich das Weißbrot auch in dem Schlosse nicht übel schmeckt, wenn 
die Mühle sein gemahlen, der Ofen wohl gebacken hat. Außerdem 
aber, wenn der König in seinen besten Gedanken war und nicht an 
den Nachbar dachte, auf einmal ließ der Müller seine Mühle klappern 
und dachte auch nicht an den Herrn Nachbar; und die Gedanken des 
Königs störten zwar das Räderwerk der Mühle nicht, aber manchmal 
das Klapperwerk der Räder die Gedanken des Königs. 
Der geneigte Leser sagt: „Ein König hat Geld wie Heu; warum 
kauft er dem Nachbar die Mühle nicht ab und läßt sie niederreißen?" 
Der König wußte, warum; denn eines Tages ließ er den Müller 
zu sich rufen. „Ihr begreift," sagte er zu ihm, „daß wir zwei nicht 
nebeneinander bestehen können. Einer muß weichen. Was gebt Ihr 
mir für mein Schlößlein?" Der Müller sagte: „Wie hoch haltet 
Ihr es, Königlicher Herr Nachbar?" Der König erwiderte ihm: 
„Wunderlicher Mensch, so viel Geld habt Ihr nicht, daß Ihr mir 
mein Schloß abkaufen könnt. Wie hoch haltet Ihr Eure Mühle?" 
Der Müller erwiderte: „Gnädiger Herr, auch Ihr habt nicht so 
viel Geld, daß Ihr mir meine Mühle abkaufen könnt; sie ist mir 
nicht feil." Der König tat zwar ein Gebot, auch das zweite und 
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