Full text: Theodor Schachts Lehrbuch der Geographie alter und neuer Zeit

D i e Erde als Weltkörper. 
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mäßig durch unfern Meridian geht, was die Fixsterne stets 4 Minuten 
früher thun? Ferner, daß sie in ihrem Abstände vom Nordpolarstern sich 
nicht gleich bleibt, als auch ihre Stellung gegen die andern Gestirne im 
Verlause des Jahres fortwährend verändert? 
Was den Mond betrifft, so hat er bei seinem Umlaufe eine durchaus 
eigne Bahn und ganz andre Zeitabschnitte, als Fixsterne und Sonne. Auch 
jene Sterne, die man noch außerdem als Wandler (Planeten) kennt, bedür- 
sen wiederum noch ungleich verschiedener Zeiträume, um ihre Bahnen zu 
vollenden. Daß sie Weltkörper und von beträchtlicher Größe seien, leuchtete 
schon den alten Weltweisen ein; daß sie, was an den Fixsternen nicht zu 
bemerken war, eine umwälzende Bewegung haben, zeigte sich gleichfalls. 
Man überzeugte sich demnach, daß große Weltkörper schweben und sich be- 
wegen können. Ueberdies mußte es auffallen, daß die Sonne gleich den 
Fixsternen ihr eigenes Licht, der Mond dagegen und die übrigen Planeten 
sammt unserer Erde nur ein von der Sonne erborgtes Licht besäßen. 
Wie? fragte man nun — sollte unser kleiner an sich selbst dunkler 
Wohnort der Mittelpunkt sein, um welchen die viel größere leuchtende Sonne 
sich schwingt? .Ja ist es möglich zu denken, daß die zahllofe in unendliche 
Fernen zerstreute Sternenschaar Tag für Tag den alle Vorstellung über- 
bietenden Umschwung um uus macht? Ist die Ansicht nicht faßlicher und 
natürlicher, daß der Erdball ebenfalls schwebe und sich sortwälze gleich an- 
dern Himmelskörpern? und daß er, seiner Natur nach ein Planet, auch 
planetarisch der leuchtenden mächtigen Sonnenkugel diene? — So gut den 
Planeten die Eigenschaft beiwohnt, sich in geregelter Bahn bewegen zu 
können, eben so muß auch ein Umschwung der Erde denkbar sein. Wie, 
wenn man dies als Hypothese aufstellte? wenn man versuchte, daraus nicht 
bloß den scheinbaren Sonnenlauf, fondern auch das unbegreifliche Zufrüh- 
kommen der Fixsterne, das dennoch stets nach 365 Tagen 6 Stunden sich 
wieder regelt, nebst andern Räthfeln des Himmels zu erklären?^ 
Aehnliche^Fragen warf sich vor drei Jahrhunderten der Mathematiker und uner- 
müdliche Himmelsbeobachter Nico laus Koperuikus auf — und seine Vermuthung 
bestätigte sich; das Unerklärliche begann sich aufzulösen, und das Licht der Wahrheit, 
das nach Hipparchs Zeit erloschen war, ging von neuem in der Astronomie auf. Durch 
die helioceutrische Ansicht, welche zwar hie und da im Alterthum bei verschiedenen 
Völkern und Forschern aufgetaucht war, aber nie allgemein sich hat geltend machen 
können, weil eben der Geist noch vorherrschend von der Erfahrung, die die sinnliche 
Anschauung gewährt, von dem Scheine der Sinne, beherrscht war, verlor allerdings 
der Erdball den Rang, den er nach dem ptolemäischen System so lange behauptet hatte. 
Dafür gewaun er an Leben uud Thätigkeit, wurde er Glied eines Organismus, und
	        
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