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Die Erde als Weltkörper.
überließ der Sonne das ihr gebührende Recht, Mittelpunkt all der Bahnen zn sein,
in welchen die Planetenschaar, darunter auch die von ihrem Mond umkreiste Erde, in
verschiedenen, aber fest abgegrenzten Zeiten sich umwälzt und ihrem Centralkörper, mit
dem sie uranfänglich eins war, im Weltenranme folgt.
Zwar ward das ko p er nikanifch e System noch vielfach angefeindet, besonders
von Priestern, welche den Umlauf der Erde für antibiblisch hielten. Ein Astronom von
nicht geringem Verdienst, Tycho de Brahe, versuchte deshalb ein Mittelding von
ptolomäischem und kopernikanischem System aufzustellen, doch vergeblich. Der große
Naturforscher Galilei wurde 1633, 90 Jahre nach Kopernikus Tode, noch als An-
Hänger desselben von den Jesuiten verklagt, in den Jnquisitionskerker zn Rom geworfen
und, als ein 70jähriger Greis, zum Widerruf gezwungen. Dennoch drangen die Be-
hauptungen des Kopernikus durch. Ausgezeichnete Forscher bekräftigten ihre Wahrheit,
indem sie einige der Naturgesetze, wouach die Welten sich bewegen, wenigstens ihren
Wirkungen nach mit Glück enthüllten. Dies waren vorzüglich der Deutsche Kepler
und der Engländer Newton. Andere, wie der Deutsche Herschel, machten mit
Hilfe der nenerfundenen Fernröhre neue Entdeckungen und trugen auf diese Weise dazu
bei, unsere Kenntnis des Sonnensystems mehr und mehr zn vervollständigen*).
Keplers und Newtons Verdienste in dieser Hinsicht verhalten sich zu dem des Köper-
nikns etwa so: Kopernikus fand, daß die Planeten um die Sonne kreisen, Kepler gab
an, wie dies geschehe, Newton erklärte das warum. Die Bahnen der Planeten sind
nämlich keine Kreise, sondern Ellipsen, und die Sonne befindet sich nicht im Centrum
derselben, sondern zwar in der Apsidenlinie (großen Axe der Ellipse), aber seitwärts in
einem der beiden Brennpunkte, so daß die Planeten auf ihren Bahnen bald in die
Sonnennähe (Perihelinm), bald in die Sonnenferne (Aphelinm) gelangen müssen und
sämmtliche Planetenbahnen nicht concentrische, sondern excentrische Kreise bilden. Das
*) Kover nikns war gebürtig ans Thorn; s. o. Seite 139. In der Schrift,
worin dieser wackere Forscher kurz vor seinem Tode 1543 die gefundenen Wahrheiten
mittheilte, sagt er mit freudigem Bewußtsein: „In der Mitte des Ganzen thront die
„Sonne; denn wer wollte ttt diesem schönsten der Tempel jene Leuchte an einem bes-
„seren Orte aufhängen als da, wo sie das Ganze erleuchten kann? So beherrscht die
„Sonne von ihrem königlichen Thron ihre herumwandelnde Sternenfamilie. Durch
„diese Anordnung habe ich eine bewnndernngswürdige Symmetrie der Welt gefunden,
„und eine harmonische Verbindung der Bahnen, ihrer Bewegung nnd Größe nach, die
„sich auf keine andere Art finden läßt." — Tycho de Brahe stammte ans dem südlichen
Schweden, geb. 1546 und gest. zu Prag 1601. — Galilei 1564 zu Pisa geboren,
seit seiner Kerkerhast kränklich und halb erblindet, in den letzten Lebensjahren staarblind
und dennoch mit wichtigen Forschungen beschäftigt, starb zn Florenz 1642. — Kepler
war ein Schwabe, geb. 1571 zn Weil in Würtemberg. Er starb als armer Mann zu
Regensbnrg 1630. — Newton ward mehr im Leben geehrt und starb 85 Jahre alt
zu London 1727. — Wilhelm Herschel war ein Niedersachse, geb. J738 zu Han¬
nover, gest. zu London 1822. — Laplace, ein Franzose, 1749 —1847, umfaßte das
Sonnensystem und seine regelmäßigen Veränderungen mit analytischen Formeln, an
deren Hand er zn den verschiedensten Zuständen dieses Systems gelangte: hinauf zu den
fernsten Zeiten und hinab zu denen, die den Beobachtern die Znkunft entschleiern wird.
— John Herschel, Sohn Wilhelms, 1792-1871, gehörte zu den jetzigen Astro-
nomen ersten Ranges.