Die Errungenschaften von 1818/50.
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637 gebracht. Das aktive Wahlrecht besitzt jeder Preuße, der
selbständig und 24 Jahre alt ist, der die bürgerlichen Ehren¬
rechte besitzt, keine Armenunterstützung ans öffentlichen Mitteln
empfangt und am Wahlort seit einem halben Jahre seinen Wohn¬
sitz hat. Für Offiziere und Soldaten ruht das aktive Wahlrecht.
Zum passiven Wahlrecht d. h. zum Recht, gewählt zu werden, ist
die Vollendung des 30. Lebensjahres erforderlich.
Jedes der beiden Häuser des Landtags hat das Recht, Gesetze
vorzuschlagen, Adressen an den König zu richten, Interpellationen zu
stellen (d. h. Anfragen über öffentliche Angelegenheiten an einen Minister
zu richten, an die sich eine Verhandlung des Hauses schließen kann),
Resolutionen zu fassen, Petitionen (Bittgesuche) anzunehmen, zu
beraten und den Ministern zur Berücksichtigung zu überweisen, und
bei seinen Verhandlungen die Gegenwart der Minister zu verlangen.
Jedes der beiden Häuser beratschlagt und beschließt selbständig für
sich; sie bilden aber zusammen ein Ganzes, den Landtag.*) Sie
können deshalb nur gleichzeitig berufen, eröffnet, vertagt und ge¬
schlossen werden. Wird das Abgeordnetenhaus ausgelöst, so muß
zugleich das Herrenhaus vertagt werden. Die Legislaturperiode
dauert 5 Jahre (bis 1888 3 Jahre). — Da der König nur
widerstrebend die Verfassung bewilligt hatte und der Adel und das
hohe Beamtentum dem Bürgertum das Recht, über das politische
Leben mitzubestimmen, und eine so umfassende Teilnahme am
Staatsleben nicht gönnten, so stand dasselbe im ersten Jahrzehnt
unter eineni dumpfen Druck. Die alten Herrschermächte fügten sich
widerwillig den neuen Formen ltub erfüllten das Bürgertum mit
einem tiefen Mißtrauen gegen ihre Ehrlichkeit. Dieses wurde noch
dadurch verstärkt, daß die Regierung und die konservative Partei
einen engherzigen preußischen Partikularismns pflegten und dem Ge¬
danken einer Einigung des deutschen Volkes schroff entgegentraten. Aus
dem Mißtrauen entwickelte sich eine entschiedene Gegnerschaft, die allen
denwkratischen Bestrebungen Nahrung gab und bald den unseligen
Konflikt zwischen der Regierung König Wilhelms und dem Abge-
geordnetenhans erzeugte.
Die Entwickelung der obersten Staatsbehörden wurde durch
*) Diese Bezeichnung ist, ohne gesetzlich festgesetzt zu sein, seit 1865 üblich.