Full text: Deutsches Lesebuch für Bürgerschulen (Teil 3 = 6., 7. u. 8. Schulj., [Schülerbd.])

173. Napoleon bei Leipzig. 
II. lieitzke. 
Geschichte der Freiheitskriege. II. 8. 541. 
Napoleon hatte sich im Laufe des Tages fast immer bei der 
Windmühle, der sogenannten Tabaksmühle, aufgehalten und von 
hier die Schlacht geleitet. Kaltblütig wie immer hatte er seine 
Befehle erteilt. Als der Kampf um Probstheida am heißesten 
entbrannte, begab er sich dorthin und nach den vorderen Linien. 
Er flog an ihnen vorüber, Mut einflößend, füllte mit Verstär¬ 
kungen die Lücken und kehrte zu der Windmühle zurück, dem 
König von Neapel die nähere Leitung überlassend. Als er die 
Nachricht von dem nahen Anmarsch des Nordheeres erfahr 
und nicht mehr zweifeln konnte, daß dieses noch vor Abend in 
den Kampf eingreifen werde, erkannte er die Notwendigkeit des 
Rückzuges. Eine Regung des Edelmuts für den unglücklichen 
König von Sachsen bestimmte ihn, den Herzog von Bassano zu 
ihm zu senden, um ihm zu melden, daß der Kaiser den Rück¬ 
zug beschlossen habe, und dem König zu raten, schnell mit 
den verbündeten Fürsten für sich und sein Land in Unterhand¬ 
lung zu treten. Der Rat kam aber zu spät, denn die Sachsen 
waren schon zu den Verbündeten übergegangen, und der un¬ 
glückliche König hatte beinahe nichts mehr zu bieten als seine 
eigne Person. Als die Hiobspost vom Übertritt der Sachsen 
und Württemberger bei Napoleon einging, ließ er diese möglichst 
geheimhalten, sandte die letzte Reserve dorthin und sprengte 
persönlich an Ort und Stelle. Er sprach hier mit Ney und 
Reynier, traf kurz seine Anordnungen und war bald wieder 
auf seinem alten Standpunkt, da ihm die Erhaltung seiner 
dortigen Stellung vor allem wichtig schien. Er ritt dann noch 
einmal zum König von Neapel bei Probstheida, unterhielt sich 
kurze Zeit abgesondert mit ihm und kehrte von neuem zu seiner 
Windmühle zurück. 
Es dunkelte schon, aber das Feuer erstarb erst nach und 
nach, als völlige Finsternis eintrat. Aufs neue hatte das fran¬ 
zösische Heer einen gewaltigen Widerstand geleistet, aber es war 
auf das äußerste geschwächt und hatte seine letzten Reserven 
darangesetzt. Mochte der Verlust an Toten und Verwundeten 
von beiden Seiten ungefähr gleich sein, so war der der Franzosen 
durch den Übergang der Sachsen ohne Zweifel um ein beträcht-
	        
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