Full text: H. A. Daniels Lehrbuch der Geographie für höhere Unterrichtsanstalten

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§84. Die Alpen. 
oder läßt in der Fremde feine Alpengefänge hören. Viele lassen sich als 
Konditoren in größeren Städten nieder. Aber immer zieht es den Schweizer 
unwiderstehlich nach der Heimat. Zwar geht es ihm hier oft kümmerlich; 
zwar bedrohen ihn hier manche Gefahren: wie die zumal im Frühjahr oft 
schreckliche Verwüstungen anrichtenden Schneestürze oder Lawinen, seltner 
eigentliche Bergstürze — aber doch fühlt sich das Kind der Alpen 
nirgends anders recht glücklich, und man hat die Erscheinung des Heimwehs 
nie ergreifender beobachtet, als wenn z. B. ein Schweizer, fern von der 
Heimat, die Melodie des unter feinen Sennen üblichen Kuhreigens gehört hat. 
Aber auch die Bewohner der ringsum liegenden Länder fühlen sich 
unwiderstehlich zu den Alpen hingezogen, welche einen unauslöschlichen Ein¬ 
druck der Erhabenheit und Majestät in der Seele des Beschauers zurück¬ 
lassen. Die Alpen find jährlich das Ziel einer Unzahl 
von Reifenden. Schwer ist zu sagen, was am meisten ergreift, erhebt 
und entzückt, ob der Anblick einer gezackten, weißfchimmernden Alpenkette 
aus der Ferne — ob das Glühen der Alpen am Morgen und Abend — ob 
die Alpenflüsse und Alpenseen, mit ihren bald schroffen und wilden, bald 
sanfteren Ufern, die großartigen Wasserfälle der Alpenbäche —• ob die frifch- 
grünen Alpen mit ihrem reichen, kurzgestielten Blumenflor, „wo, von der 
Genziane und Anemon' umblüht, auf feidnem Rafenplane die Alpenrose 
glüht" —• ob der Gegensatz des Schrecklichen und Lieblichen, die sich hier oft 
in unmittelbarer Nähe berühren, —- ob die reine, frische Bergluft — ob die 
bald tiebtichen, bald erhabenen Aussichten. 
Neben der Längsteilung in Zentralalpen und Kalkalpen unterscheidet 
man in dem ganzen Alpenzuge noch zwei Haupttteile (durch eine Linie 
vom Bodensee das Rheintal aufwärts über den Splügenpaß bis zum 
Comersee getrennt): die West- und die O st a l p e n. Die auf den Land¬ 
karten üblichen, zum Teil schon aus der Rsmerzeit herrührenden Namen 
einzelner Alpenteile sind den Alpenbewohnern selbst meist ganz unbekannt. 
Wir wollen daher das Gebirge nach den Linien einteilen, welche die 
großen Täler durch dasselbe ziehen. Zugleich merken wir uns dabei die 
wichtigsten fahrbare« Alpenstraßen; die nur für den Fußgänger oder 
den sichern Tritt der Maultiere oder Saumrosse geeignet sind, nennt man 
Saumwege. Außer den zahlreichen Fahrstraßen und Saumwegen 
führen jetzt fünf Eisenbahnlinien über die Alpen nach Italien: 
ans Frankreich über den Mt. Cenis und durch den Simplon, aus Deutsch¬ 
land durch den St. Gotthard und über den Brenner, aus Österreich über 
den Semmering. 
I. Die Westalpen. 
a. Die franzö fifch-italienifchen Alpen. 
Diese ziehen vom Mittelmeer bis zum Montblanc, im ganzen mit 
nördlicher Richtung, mit steilem Abfall nach O., weil an dieser Seite 
ihnen feine Kalkalpen vorgelagert sind, mit sanfterem nach W. Gen O. 
wohnen Italiener, gen W. Franzosen.
	        
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