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A. Thüringen in seiner natürlichen Umgrenzung.
Die Täler dieses Gebirgsabschnittes sind leicht zugänglich: auf der Südseite ist
das Tal der Schmalkalde und der Truse von besonderer Anmut, auf der Nordseite
sind die vom Inselsberg herabkommenden Täler, wie der Ungeheure Grund bei
Reinhardsbrunn, der Lauchagrund oder das Felsental oberhalb Tabarz und das
Tal der Emse bei Winterstein, nach welcher der Inselsberg, eigentlich Emsenberg,
benannt ist, und das Ruhlaer Tal am bekanntesten. Die sämtlichen Gewässer dieser
Seite sammeln sich in der Hörsei, zuerst Leina genannt, welche bei Eisenach die Nesse
aufnimmt und bald darauf in die Werra einfließt.
Als eine der größten Merkwürdigkeiten des Thüringer Waldes gilt der
Rennsteig oder Rennstieg, welcher nach der gewöhnlichen Auffassung von
Blankenstein an der oberen Saale am Lobensteiner Kulm und Wetzstein vor-
über über den Frankenwald und auf dem Kamme des Thüringer Waldes bis
zum Dorfe Hörschel a. d. Werra am Einfluß der Hörsel in die Werra ver-
läuft (171 km). Das erste und letzte Stück seines Verlaufes ist allerdings
unsicher, ebenso die Bedeutung dieses Firstweges, dessen sicherer geschichtlicher
Nachweis auch nur bis in das 14. Jahrhundert zurückreicht. Er gilt als die
Stammesgrenze zwischen dem thüringischen und fränkischen Volksschlag, doch
trifft dies auch nur für den mittleren Teil zu. (Näheres s. bei I. Bühring
und L. Hertel, Der Rennsteig des Thüringer Waldes, Jena 1896- 2. Aufl.,
I. Teil, Ruhla 1910.)
Von ihm singt V. v. Scheffel:
„Auf Bergesscheiteln läuft ein alt Geleise,
Oft ganz bedeckt vom Farnkrautüberschwang
Der Rennstieg ist's: die alte Landesscheide,
Die von der Werra bis zur Saale rennt,
Und Recht und Sitte, Wildbann und Gejaide
Der Thüringer von dem der Franken trennt.
Du sprichst mit Fug, steigst du auf jenem Raine:
Hie rechts, hie links! Hie Deutschlands Süd, dort Nord.
Wenn hier der Schnee schmilzt, strömt sein Guß zum Maine,
Was dort zu Tal träuft, rinnt zur Elbe fort;
Doch auch das Leben weiß den Pfad zu finden,
Was Menschen trennt, das muß sie auch verbinden."
II. Das südliche oder fränkische Vorland.
Gegen den Main zu treten im 8 des Thüringer Waldes zwei Hochebenen
deutlich hervor, die Schalkauer und die Sonnefelder Hochebene, welche
von den obengenannten Mainzuflüssen (S. 7) durchzogen werden.
Weiter nach NW zu können die im ganzen nicht sehr bedeutenden Er-
Hebungen im südlichen Vorland des Gebirges, welches hier wiederholt staffel-
förmig abbricht, als Werraberge zusammengefaßt werden.
Weitaus am meisten hebt sich die Gruppe des Großen Dolmar (740 m) heraus,
im NO von Meiningen, mit schönem Blick nach dem Thüringer Wald wie nach der
Rhön zu. Noch umfassender und vielseitiger ist die Aussicht von den allein stehenden
Gleichbergen südwestlich von Hildburghausen: der Große Gleichberg erreicht 679 m,
der Kleine Gleichberg weist zwei vorgeschichtliche Umwallungen auf.
Die Werra ist nach Größe und Namen der Oberlauf der Weser,- die
zweifache Bezeichnung Wisaraha oder Wisera und Wirraha oder Werraha war
im Mittelalter, und zwar für den ganzen Flußlauf gebräuchlich.