€0 Zweites Buch.
reizendsten der Erde gehören, ist Turan ein weites, ebenes
Becken, vermuthlich erst in einer jüngeren Periode der Erd¬
geschichte trocken gelegter Meeresgrund. Daher der lehmige
und sandige Boden ohne rechte Ackerkrume stark mit Salz
versetzt (viele Salzwasserseen), oft mit Seemuscheln überdeckt.
Der Kaspische und der Aralsee (auch schwach salzig) sind
die Reste jenes Meeres; sie sind noch jetzt im beständigen
Abnehmen begriffen. In der Vorzeit hingen sie vielleicht zu-
sammen. Um beide Seen liegt ein 10,000 nM. großer Raum
unter dem Niveau des Meeresspiegels (Aralokaspische
Erd senke). Der Aralsee nimmt den Amn oder®ihon[dschihon]
auf, der im untern Lauf ein Delta bildet; ein linker Mün¬
dungsarm zum Kaspischen Meere ist jetzt durch das Vordrin-
gen des Sandes verschüttet. Ueberhaupt hat Turan viele
Steppenflüsse. Ebenfalls in den Aralsee fließt der Sir.
Die Alten kannten beide Flüsse, den Amn als Oxus, den
Sir als Jaxartes, und nannten Turan Bactrien und
Sogdiana. Nachdem im höchsten Alterthum hier das Zend-
Volk, welchem Sonne, Licht und Feuer Bilder des guten
Gottes waren, einen Priesterstaat gehabt, wurden jene Länder
nach und nach Theile des Alt - Persischen, des Parthischen,
hernach des Neu-Persischen Reichs. Im 5. und 6. Jahrhnn-
bcvt tauchte hier der Volksstamm der Türken (eigentlich Räuber)
auf, von denen die gegenwärtigen Bewohner größtenteils
-abstammen.
Turan bestand noch vor Kurzem aus mehreren unabhängigen mnha-
medanischen Staatsgebieten oder Chanaten und aus Ländern noma-
disirender Horden desselben Glaubens. Jetzt aber hat Rußland fast die
ganze Nordhälfte Turans nebst dem Aral-See erobert. Ihm gehorchen
die Kirgis-Kaisaken n. vom Sir sowie die Truchmenen oder
Turkmanen auf dem öden „Jsthmns" zwischen Kaspi- und Aral-See,
ein schweifendes Kriegervolk, das sich in seinen baumlosen Steppen rühmte,
weder unter dem Schatten eines Baumes noch unter dem Schutz eines
Königs zu ruhen; auch ein russisches Gouvernement Tnrkistan ist
am unteren und mittleren Sir entstanden mit der wichtigen Handelsstadt
Taschkent, 80,000 E., und hat sich 1868 durch Eroberung der einstigen
Residenz des Tamerlan, Samarkand, bis an den Steppenfluß
Saraffchan erweitert.
Durch diese letztere Eroberung wurde die Macht des Chanats Bu-
chara (in paradiesischer Gegend nach dem oberen Amu hin gelegen)
bereits gebrochen; in demselben die Residenz des Chans Buchara, un-
weit des linken Ufers des Sarafschan, 70,000 E., Mittelpunkt des Kara-
vanenbandels zwischen Indien und Europa. Unberührt von russischer
Herrschaft blieben noch die südlichen Chanate Chiwa (Chowaresmien)
«nd im Quellgebiet des Amu Kund uz [fundüs].