72 Zweites Buch.
Nachgrabungen gegenüber von Mosnl haben hier großartige
Reste nimvitischer Paläste zu Tage gefördert. Der mittlere
Theil von Mesopotamien ist eine steppenartige, bloß im Lenz
grünende Ebene, nur an den Nußufern angebaut.
Im Unterlaufe haben beide parallel fließenden Doppel-
ströme (S. 53) ihr Gebiet zu einem fetten Schlammlande
umgeschaffen; zuletzt vereinigen sie sich unter dem Namen
Schat-el-Arab und bilden ein sumpfiges Delta. Dies Tief-
land von Mesopotamien ist eine der merkwürdigsten Erdstellen.
Hier wohnten die Babylonier oder Chaldäer. Durch große
Damme hatten sie die beiden Riesenflüsse gezähmt, beide durch
zahlreiche Cauäle verbunden und das Land so fruchtbar gemacht,
daß der Weizen 200 — 300 fältig trug und handbreite Blätter
hatte. Aber Steine zum Bauen gab es nicht, man grub
Thon und brannte Ziegel daraus, und statt des Mörtels nahm
man das hier reichlich quellende Naphtha. Aus solchem Mate-
rial wurde die gewaltige Stadt Babylon oder Babel auf-
geführt, ein Viereck, 12 Meilen im Umfange, mitten vom
Frat durchströmt — erst einheimischer, dann persischer Könige,
dann Alexanders Residenz. Von dem babylonischen Thnrme,
dem Tempelthnrme des Götzen Bel, steht noch ein Stück von
drei Absätzen — sonst nur Trümmer, von den Thieren der
Wüste bewohnt. Die Residenzen der Selenciden- und Par-
therkönige, Seleucia und Etssiphon, lagen am Tigris.
Alle diese Städte sind verschwunden. Aber im Mittelalter
gründeten die arabischen Kalifen als Mittelpunkt ihres Rei-
ches das feste Bagdad, größtentheils auf dem linken Ufer
des Tigris, die prächtige Residenz des Harun, den feenhaften
Schauplatz so vieler Märchen aus 1001 Nacht. Mit dem Sturze
des Kalifeureiches sank auch Bagdad, doch ist es noch Sitz des
türkischen Statthalters, und hat etwa 150,000 E. Weit leben-
diger ist B a s r a oder Bassora, ein Haupthandelsort zwischen
Morgen- und Abendland, am Schat-el-Arab, 7 M. vom
Meere, aber wegen seines ungesunden Klimas doch nur mit
50,000 E. In den Hafen laufen selbst Seeschiffe ein. Das
platte Land zwischen beiden Flüssen liegt jetzt meist unfruchtbar
da. Die Schuld tragen theils die Flugsandstürme der Wüste,
theils die Räuberhorden derselben, welche oft bis Bagdad
hin plündern. Auf dem Euphrat fahren englische Dampf-
schiffe, und es findet so eine regelmäßige Verbindung mit In-
dien Statt.