Full text: Lehrbuch der Erdkunde für höhere Lehranstalten

134 Staatenkunde. 
lohnender Ertrag abzugewinnen war, mußte im höchsten Grade förderlich auf die 
geistige und körperliche Entwickelung der europäischen Menschheit wirken. 
Die Bevölkerung Europas gehört überwiegend der kaukasischen Rasse 
an; nur die mongolische Rasse hat einige versprengte Zweige (Türken, Magyaren, 
Finnen) in unserem Erdteile ansznweisen. Die Kaukasier zerfallen in die 
Gruppen der Germanen (Deutsche, Skandinavier, Engländer), Romanen 
(Griechen, Walacheu, Jtalier, Franzosen, Spanier, Portugiesen) und Slaven 
(Russen, Bulgaren, Serben, Kroaten, Tschechen), die an Zahl der Individuen ein¬ 
ander nahezu vollkommen gleich stehen, von denen aber die Slaven den größten 
Raunt einnehmen. Gering an Zahl (5 Millionen), aber dnrch vorzugsweise 
betriebenen Handel einflußreich, sind die über ganz Europa verteilten Juden. 
Die heutigen Europäer sind keineswegs die Urbewohner dieses Erdteiles, sondern 
in vorhistorischer Zeit hierhin eingewandert, wobei die (wahrscheinlich sehr wenig zahl¬ 
reiche) Urbevölkerung zurückgedrängt wurde und nach und nach verschwand. Reste 
dieser frühesten Bevölkerung glaubt man in den Basken (in Spanien) zu erkennen. 
Genaue Durchsorschungen zahlreicher Höhlen haben ergeben, daß in einer noch weiter 
vor der geschichtlichen Zeit liegenden Periode der größte Teil Europas ein sehr rauhes, 
nordisches Klima hatte und von Jägerhorden bewohnt wurde, deren Waffen, Geräte 
und Gebräuche mit denjenigen der heutigen Eskimo vollkommen übereinstimmen. Nur 
langsam hat die Kultur innerhalb der geschichtlichen Zeit in Europa Wurzel ge¬ 
schlagen; zuerst auf der vielfach zerschnittenen Griechischen Halbinsel, dann in Italien 
und an einigen Punkten der heutigen Französischen und Spanischen Mittelmeerküste. 
Hauptsächlich um Bernstein (Elektron) von den Gestaden der Ostsee zu holen, drangen 
kühne Handelsleute aus gefahrvollen Zügen zu den wilden Horden des Nordens vor 
oder gelangten (schon 300 Jahre vor Chr.) auf gebrechlichen Fahrzeugen bis zum 
heutigen Meerbusen von Riga. Später machte sich der Einfluß des Römerreiches nicht 
nur politisch in Mitteleuropa geltend, sondern durch Verkehr selbst im mittleren Skan¬ 
dinavien. Doch tritt erst gegen das Jahr 1000 unserer Zeitrechnung die Umgebung 
des Ostseebeckens in das Licht der Geschichte. 
Hinsichtlich der Religion sind 300 Millionen Europäer Christen, der 
Rest verteilt sich nahe gleichmäßig auf Juden und Mohammedaner. Die drei 
großen Zweige des Christentums haben ihre Hauptverbreitung in verschiedenen 
Regionen unseres Weltteiles. Die römisch-katholische Kirche herrscht vor im 
Südwestlichen Europa, die protestantische im Nordwestlichen, die griechisch-katholische 
im Osten. Der ersten gehören vorzugsweise Romanen, der zweiten meist Ger¬ 
manen, der dritten Slaven an. 
Die allgemeine Bildung und materielle Kultur ist iu den 
einzelnen Teilen Europas sehr ungleich vertreten. Am höchsten stehen die Ger¬ 
manen in bezng ans Gesittung der großen Volksmassen, Romanen und Slaven 
bleiben hierin weit zurück. Dagegen haben Germanen und Romanen etwa 
gleichmäßig hervorragende Persönlichkeiten aufzuweisen, welche Wissenschaften 
und Künste zur höchsten Entfaltung brachten. Die materielle Kultur blüht 
vorzugsweife in Zentraleuropa, wo aller anbaufähige Boden längst in Benutzung 
gezogen, ja, um Ackerland zu gewinnen, die Waldbestände an manchen Orten 
allzusehr gelichtet worden sind. Die Schätze der Erde, besonders Steinkohlen 
und Eisen (daneben Kupfer, Zinn, Quecksilber, Silber und Gold) werden mit
	        
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