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Sic laden ihn zu einem fröhlichen, großen Feste, das am Sonnwcndtage, in
der alten, germanischen Festzcit, am Hofe der Burgunden zu Worms gefeiert
werden soll. Siegfried geht zu Rate mit seinen Getreuen; diese sowie der alte
Vater, König Siegmund, stimmen dafür, die Einladung anzunehmen, und
mit großem Hcergefolge von eintausend Edlen ziehen Siegfried und Kricmhild
in Begleitung des alten Siegmund (denn die Mutter Sicgelinde ist inzwischen
gestorben), arglos und unbefangen, in der sicheren Heiterkeit der Unschuld nach
Worms an dem Rheine. Reiche Gaben, rotes Gold und strahlende Kleinodien
werden mitgeführt, um die Freigebigkeit eines reichen Königs am Hofe der
Burgunden zu bethätigen; nur das Kind wird zurückgelassen, Siegfrieds
und Kriemhildens Sohn; es sollte seinen Vater und seine Mutter nimmer
wiedersehen. —
4.
Glänzender Empfang wartet der Gäste zu Worms, mit ihnen strömen
zum Ritterspicl Tausende von Rittern von allen weiten Wegen ein in die
Thore der Königstadt, in prächtigen Reitgewändcrn reiten die Könige mit
ihrem Gefolge durch die Gassen, und herrlich geschmückt sitzen edle Frauen
und schöne Mägdlein in den Fenstern; Posaunen-, Tromben- und Flötcnhnll
erfüllt die weite Rheinstadt, daß sie laut davon erhallet; aber in die lauten,
süßen Töne der Festfreude füllt mit schneidendem Gegensatze der gellende
Ton des eifersüchtigen Hasses, die heiseren Stimmen des Zornes übertönen
den süßen Flötenklang und kündigen den Mordschrei an, der bald die Säle
der Burg und die Gassen der Stadt, der bald alle Lande erfüllen und noch
nach tausend Jahren in den Herzen der späteren Geschlechter erschütternd
wiedcrhallen sollte.
Die beiden Königinnen, Kricmhild und Brunhild, sitzen zusammen wie
einst in den schönen Tagen vor zehn Jahren und denken dieser Tage —
Kricmhild in voller Befriedigung, im reichsten Genusse des damals nur
gehofften Glückes. „Ich habe einen Mann, der es verdiente, daß alle diese
Königreiche sein wären", so wallt ihr treues, liebendes, argloses Herz über.
Das war der Funke, welcher einschlug. „Wie wäre das möglich?" entgegnet
Brunhild, „diese Reiche gehören Günther und werden ihm Unterthan bleiben."
Kricmhild, gleichsam versunken in das liebende Wohlgefallen an dem herr¬
lichen Gatten, überhört die Worte des aufsteigenden Grolls und fährt noch
unbefangener, wo möglich, als vorher fort: „Siehst du wohl, wie er dort
steht, wie er so herrlich vor den Helden hergeht wie der Mond vor den
Sternen? Darum ist mein Gemüt so fröhlich." Brunhild entgegnet, Günther
gebühre der Vorrang vor allen Königen, und Kricmhild antwortet, Siegfried
komme ihrem Bruder Günther doch wohl gleich. Da bricht endlich Brunhild
zornig aus: „Als dein Bruder mich zum Weibe gewann, hat Siegfried selbst
gesagt, daß er Günthers Dienstmann sei, und dafür halte ich ihn seitdem."