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Euphrat-Tigris-Länder.
altpers. Atliurä und griech. zu Alexanders Zeit :'ArovQua) scheint zu¬
nächst im engeren Sinne die unter dem kurdischen Gebirgslande bis
zum Mittelläufe des Tigris gelegene, von seinen Zuflüssen, den beiden
Zabat (ZaßccTog) durchflossene fruchtbare Ebene bezeichnet zu haben.
Sie wurde Ausgangspunkt eines semitischen Reiches, welches seit dem
13. Jahrb. über alle Nachbarländer sich ausbreitete, deren nächste
in Westen (jenseits des Tigris) und Süden (mitunter bis zum Meere
hinab, mit Einschluss Babyloniens) dann unter jenem Namen mitbe¬
griffen wurden.1)
Die wechselnden Hauptstädte dieses Reiches lagen sämmtlich am
Tigris, am südlichsten die älteste, angeblich dem Lande gleichnamig
Assür genannt, eine folgende, die bis ins 9. Jahrb. Residenz blieb,
als Kalach auch den Hebräern bekannt (Accoioaa bei Xenoplion, j.
Ruine Nimrüd) an der Mündung des grossen Zab, noch nördlicher die
jüngste und glänzendste, Ninua, hebr. Ninvö, griech. Ntvog, mit
einem Mauerumfange von 1% d. M. und ausgedehnten Vorstädten, die
nach ihrer Zerstörung durch Meder und Babylonier 605 v. Chr. nur
als grosses Trümmerfeld ihren alten Namen bewahrte.2)
!) Unter der persischen Herschaft, aber offenbar schon vorher, seit der
medischen Eroberung (605 v. Chr.) wird dasselbe Land Man^ (Herod.)
oder geradezu J\h}diu (Xenoplion als Augenzeuge) genannt, eine der damaligen
administrativen Einteilung entlehnte Bezeichnung die schon bei Alexanders
Durchmarsch wieder dem uralten Landesnamen gewichen ist.
2) Auffallend ist bei dem Augenzeugen Xenophon der Name Msamlct
für diese Ruinenstätte. Sie liegt gegenüber der im Mittelalter auf dem
W.-Ufer des Tigris entstandenen Stadt Mosul und hat bekanntlich in den
letzten drei Jahrzehnten durch die, besonders von Engländern betriebenen
Aufgrabungen, ausserordentlich reichen Gewinn zur näheren Kenntniss
assyrischer Kunst, Schrift, Sprache und mittelbar der politischen Geschichte
des Reiches und der Nachbarländer gegeben. Die Natur des Bodens ermög¬
lichte hier zu Bauten, Sculpturen und Inschriften die Anwendung von Muschel¬
kalkstein und Alabaster, statt des in Babylonien gebrauchten Thones.
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88. Zwischen dem grossen Zab (oder, wie die Griechen den semi¬
tischen Namen übersetzten, Avv-oq) und dem Gebirge, im höheren -leile^
der Ebene die gleichfalls uralte Stadt Arb ela {Aria’ll, j. Erbil)1).
Die nördlich angrenzende, die Vorhügel des kurdischen Gebiiges um¬
fassende Landschaft Adiabene (gräcisirt aus Chadiab), also die nörd¬
liche Hälfte des engeren Aturiens oder Assyriens, bildete unter jenem
Namen seit dem 1. Jahrh. v. Chr. ein besonderes, zeitweise auch west¬
lich jenseits des Tigris sich ausdehnendes Fürstentum, welches zu den
parthischen Königen, dann im 2. und 3. Jahrh. zum römischen Reiche
in einem Clienteiverhältnisse stand.