324
21. Und da hing ich und war’s mir mit Grausen bewußt,
von der menschlichen Hilfe so weit,
unter Larven die einzige fühlende Brust,
allein in der gräßlichen Einsamkeit,
tief unter dem Schall der menschlichen Rede
bei den Ungeheuern der traurigen Öde.
22. Und schaudernd dacht ich’s; da kroch’s heran,
regte hundert Gelenke zugleich,
will schnappen nach mir; in des Schreckens Wahn
lass’ ich los der Koralle umklammerten Zweig;
gleich faßt mich der Strudel mit rasendem Toben;
doch es war mir zum Heil, er riß mich nach oben.«
23. Der König darob sich verwundert schier
und spricht: »Der Becher ist dein;
und diesen Ring noch bestimm ich dir,
geschmückt mit dem köstlichsten Edelgestein,
versuchst du’s noch einmal und bringst mir Kunde,
was du sahst auf des Meeres tief unterstem Grunde.«
24. Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl,
und mit schmeichelndem Munde sie fleht:
»Laßt, Vater, genug sein das grausame Spiel!
Er hat Euch bestanden, was keiner besteht.
Und könnt Ihr des Herzens Gelüsten nicht zähmen,
. so mögen die Ritter den Knappen beschämen.«
25. Drauf der König greift nach dem Becher schnell,
in den Strudel ihn schleudert hinein:
»Und schaffst du den Becher mir wieder zur Stell,
so sollst du der trefflichste Ritter mir sein
und sollst sie als Ehgemahl heut noch umarmen,
die jetzt für dich bittet mit zartem Erbarmen.«
26. Da ergreift’s ihm die Seele mit Himmelsgewalt,
und es blitzt aus den Augen ihm kühn,
und er siehet erröten die schöne Gestalt
und sieht sie erbleichen und sinken hin;
da treibt’s ihn, den köstlichen Preis zu erwerben,
und stürzt hinunter auf Leben und Sterben.