Die deutschen Landschaften und Stämme. 33
Die große Hauptabdachung des Landes geht nach dem Ozean; alle deutschen
Ströme — das Flußsystem der Donau ausgenommen — streben nach der Nord-
nnd Ostsee hin und setzen dadurch das Meer mit einem weitausgedehnten und sehr
produktiven Hinterland in Verbindung. _
Auch fehlen nicht gute natürliche Hafenplätze; solche bieten die lang¬
gestreckten Förden von Schleswig-Holstein, dann die breiten Trichtermündungen der
großen Ströme, an denen auch Deutschlands Hanpthandelshüfen emporgewachsen sind.
Dazu ist die Nordsee durch ihre ganze Natur, insbesondere durch ihre heftigen
Stürme, eine vortreffliche Schule für den deutschen Seemann.
2. W i r t s ch a f t l i ch e G r ü n d e. Die starke Zunahm e d er Bevöl¬
kerung des Deutschen Reiches (jährlich um 800 000 Seelen) veranlaßt alljährlich
Tausende unserer Landsleute zur Auswanderung in überseeische Gebiete, so daß
wir schon aus diesem Grunde ein lebhaftes Interesse daran haben, den Verkehr
zur See aufrechtzuerhalten, um gegebenenfalls den in der Fremde lebenden Stam¬
mesgenossen den Schutz des Vaterlandes angedeihen zu lassen').
In den überseeischen Gebieten sind in landwirtschaftlichen und gewerblichen
Unternehmungen 9 Milliarden deutscher Kapitalien angelegt, vor allem in
Amerika; aber auch in Afrika, Australien und manchen Teilen Asiens arbeiten Hun¬
derte von Millionen deutschen Geldes.
Unsere Industrie bezieht einerseits einen großen Teil ihrer Rohstoffe (nahe¬
zu %) aus fernen Ländern, z. B. Baumwolle, Seide, Wolle, Tabak, Kautschuk,
anderseits bedarf sie der Beziehungen zu diesen Ländern für den Absatz ihrer Er¬
zeugnisse?)
Die deutsche Handelsflotte hat in den letzten Jahrzehnten so große
Fortschritte gemacht, daß sie heute in ihrer Leistungsfähigkeit unter allen Welthandels¬
flotten den zweiten Rang einnimmt. *
Der deutsche Außenhandel, welcher 1910 einen Gesamtwert von
17% Milliarden Mark darstellt (England 24,7 Milliarden Mark), ist zum weitaus
größeren Teile Seehandel; es entfallen auf ihn reichlich 2/3 des gesamten deutschen
Außenhandels.
Ein erhöhtes Anrecht auf die See verleiht uns endlich die in jüngster Zeit er¬
folgte Erwerbung eines ausgedehnten Kolonialbesitzes.
II. Die deutschen Landschaften und Stämme.
1. Das Norddeutsche Tiefland.
Entstehung des Bodens. Die Bodengestalt des Germanischen Tieflandes
ist in der Hauptsache bedingt durch die Ablagerungen, welche die von Skandinavien
ausgehenden Vereisungen zurückgelassen haben. Die älteste derselben drang
*) Im Auslande leben^3 Millionen geborene Deutsche und 700 000 Reichsangehörige.
10—11 Millionen sprechen in den Vereinigten Staaten die deutsche Sprache.
2) Einfuhrwerte wichtiger von Übersee bezogener Rohstoffe i. I. 1909:
Baumwolle ... 568 Mill. M. Chilesalpeter ... 120 Mill. M.
Kautschuk und Gutta- ^Petroleum- ... 66 „
_ Percha .... 153 „ „ Palmkerne it. Kopra 116 „ ’ „
Seide 193 „ „ Jute 52 „ „