Die deutschen Landschaften und Stämme. 37
Im nordwestlichen Teil der Mittelzone wird der Abfluß des Wassers auf den
Sandflächen vielfach gehemmt; daher finden sich hier häufig Moore, deren haupt¬
sächlichste Produkte Torf und spärliches Getreide sind.
Im ganzen ist die Mittelzone der Nordgermanischen Niederung wenig ertrags¬
fähig. Dagegen eignet ihr eine Verkehrslage von höchster Wich¬
tigkeit; ist sie doch das Bindeglied zwischen den an Naturprodukten so reichen
Staaten Osteuropas und den industriereichen Ländern Westeuropas.
Demzufolge entstand hier und zwar hauptsächlich in der großen Tieflands¬
mulde, die einst das gemeinsame Bett der norddeutschen Ströme gewesen, nament¬
lich an jenen Stellen, wo sich mit der westöstlichen Hauptverkehrslinie die Bahnen
des nordsüdlichen Verkehrs schneiden, die zweite Reihe wichtiger Siedelungen
des Tieflandes: die Städte Brandenburg, Potsdam, Berlin,
Frankfurt a. O., Küstrin,Posen, Bromberg,Thor n. Im Herzen
der nördlichen Niederung erwuchs naturgemäß die Hauptstadt des größten Staates
und späterhin des Deutschen Reiches, Berlin (über 2 Mill. E.). Insbesondere mit
der Ausdehnung des Verkehrs kamen auch die Vorzüge der geographischen Lage
Berlins in der Mitte des Norddeutschen Tieflandes immer mehr zur Geltung. Heute
ist Berlin nicht nur der politische Vorort des Deutschen Reiches sondern'auch ein
Brennpunkt wirtschaftlicher und geistiger Kultur, die größte Industriestadt Deutsch¬
lands und eine der großen welthistorischen Metropolen, in denen die Völkergeschicke
entschieden werden.
c) Die Küstenzone. An der Küste, wo Schlamm und Schlick des Meeres
sich mit den jüngsten Ablagerungen der Flüsse vereinigen, bildete sich der schwere
M a r s ch e n b 0 d e n, der sich wie ein Saum um das belgische, holländische und
deutsche Binnenland legt und fette Wiesen und goldene Weizenfelder trägt. Hier,
an den Gestaden des Meeres, wo der Welthandel seine Stapelplätze hat," liegt" die
dritte Städtefolge der Niederung: Emden, Bremen /Hamburg,
Kiel, Lübeck, Stettin, Danzig und Königsberg.
Erwerbszweige. Im O st d e u t s ch e n T i e f l a n d e (Ostelbien) überwiegt
die Landwirtschaft und zwar vorherrschend in Form des Großgrundbesitzes.
x5n hoher Blüte stehen namentlich Branntweinbrennerei und Pferde¬
zucht. Doch entfaltet auch die Industrie hier mehrorts eine bedeutsame
Wirksamkeit. Abgesehen von den großen Werften an der Küste, blüht die T u ch -
Industrie besonders in der Mark Brandenburg, so in Luckenwalde, Kottbus,
Guben, daun in Görlitz in Schlesien; Berlin selbst ist die größte Industriestadt
des Reiches. Staßfurt hat große Salzlager, die Provinz Posen Braunkohlenlaqer,
die Samlandküste liefert Bernstein, Rügen Kreide.
v5m Westdeutschen Tieflande (Westelbien) wird an der K u l t i -
Gerung der Moore eifrig gearbeitet. Mehrfach sind auch schon in öder
Landschaft wohlhabende Moorkolonien aufgeblüht. Das glänzendste Beispiel hier¬
für ist Papenburg in Hannover. Auch die Heide weicht mehr und mehr
der Kultur. Große Strecken werden aufgeforstet oder berieselt und verbessert. Die
Marschen liefern das trefflichste Mastvieh und gute Pferde. ImGewerbe -
e b e n treten jene Industrien hervor, die ihre Rohstoffe der Landwirtschaft ent¬
nehmen (Zuckerfabriken, Branntweinbrennereien, Konservenfabriken). In ben
frusten stabten blühen die mit dem überseeischen Handel und der Schiffahrt