Full text: Grundzüge der physischen Geographie, Mathematische Geographie (Teil 6)

Vorwort. 
Wie die Länderkunde zur Erkenntnis der geographischen Haupttatsachen und 
geographischer Leitideen hinstrebt, so führt die mathematische und physikalische 
Geographie zur Auffindung jener großen Gesetzmäßigkeiten, unter deren 
Einfluß die Naturkräfte das Antlitz der Erde gebildet haben und täglich neu 
gestalten. Vorangestellte Definitionen und Einteilungen können dabei nicht viel 
Nutzen stiften. Wichtig dagegen ist es, den Schüler zur selbständigen Be- 
obachtung anzuleiten, sein Beobachtungs-, Urteils- und Kombinationsvermögen 
in Bewegung zu setzen und weniger seine Gedächtniskraft zu beanspruchen. Man 
darf sicher sein, daß der nach einer Richtung erweckte Forschungstrieb sich natur- 
gemäß auch auf andere Sphären des Denkens übertragen wird, wogegen das 
nur gedächtnismäßig erworbene Wissen unfruchtbar bleibt und bald der verdienten 
Vergessenheit verfällt. 
Die physikalische Geographie kann wie die Physik, zu der sie die nächste 
Verwandtschaft hat, zu einem höchst wertvollen Bildungsmittel werden, wenn 
sie von der direkten Naturbeobachtung ausgeht und in unmittelbarem 
Anschlüsse hieran in der wissenschaftlichen Denkweise und Untersuchungsmethode 
übt. Sie muß also engste Fühlung mit der Natur halten. „Ein Regenschauer, 
das Fließen eines Baches, das trübe Wasser des Flusses, die Gestalt einer Klippe, 
die Umrisse eines Berges, die Unebenheiten eines flachen Landes — diese und 
tausend andere gewöhnliche Vorkommnisse," sagt Geikie. „sollte der Lehrer 
eifrig aufgreifen und als lebendige Illustrationen der Gesetze benutzen, mit denen 
er seine Schüler vertraut machen muß. Auf solche Weise wird die physi- 
kalische Geographie nicht gelernt wie eine gewöhnliche Schulaufgabe, sondern sie 
wird vielmehr zu einer angenehmen Erholung, bei welcher zugleich das Be- 
obachtungstalent geübt, die Induktion ausgebildet und die Phantasie beständig 
rege erhalten wird." Wo es der Schule nicht vergönnt ist, den verkörperten 
Begriff in lebendiger Natur zu schauen, ist das bildliche Anschauungsmittel bzw. 
die schematische Zeichnung unabweisbares Gebot zur Vermeidung irriger und 
falscher Vorstellungen und Auffassungen. Diesem Zwecke dienen die zahlreichen 
Abbildungen und Skizzen dieses Buches. 
Der Text ist aus 43 bis 44 Seiten zusammengedrängt, der Rest entfällt 
auf erläuternde Illustrationen und Diagramme. 
Freising und Kitzingen, im September 1911. 
Die Verfasser. 
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