Full text: Handbuch der Geographie ([Ausg. C])

Entstehung der Alpen. 
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Jahren (ausgenommen 1904 und 1911) nicht mehr so allgemein. Er ist jedem Besucher an den weiten, 
wüsten, vom Eise zurückgelassenen Moränenlandschaften bemerkbar. Die berühmte Ner cke Glace am 
Montblanc reicht bis 1125 m hinab, im übrigen gehen die Montblanc-Gletscher meist bis 1450 m und da¬ 
mit in eine Jahrestemperatur von 4-4 bis 5°, im Otztal aber nur bis 2100 na und bis —0,2°. Ganz anders 
war das Bild in den Eiszeiten, in denen die Gletscher dem Gebirge die besonders gearteten Formen 
ihrer verschieden großen Betten aufdrückten. Ein verwickeltes Netz von viel größeren Eisströmen ergoß 
sich bis über die Ränder des Hochgebirges und hüllte im N.W. die Schweizer Hochebene und den Jura, 
im S. die Stätte der lombardischen Seen ein, die alle vor den großen Tälern liegen, die von den 
Gletschern ausgepflügt sind. Diese Tätigkeit ist eine der wichtigsten unter den mannigfaltigen Ver¬ 
änderungen, die vom Eise ausgeübt worden sind. 
Die Hauptströme verbreiterten und vertieften ihre Täler naturgemäß stärker als die in sie mündenden 
kleineren, und so entstanden die übertieftenTäler mit besonders steilen, ja senkrechten Wänden, die heute 
nach dem Schwinden des Eises zumeist — aber nicht immer —inTro gformden Eingang zu den Herrlichkeiten 
des Hochgebirges eröffnen; die Stellen, wo die Steilwände in Formen geringerer Böschung oder in Hoch¬ 
ebenen übergehen, heißen die Trogschultern (s. Bild 461, S. 819). Ein Beispiel für ein solches Tal ist das 
von Chamonix, dessen Wände bis zum Trogrande eine Böschung von 39° besitzen und hier scharf einknicken, 
seine Eisströme sind jetzt sämtlich Hängegletscher, deren Endpunkte entweder viel höher liegen als der 
Boden des Haupttals oder die über den Rand im Gletschersturz hinüberdrängen. Im Lauterbrunnental 
bezeichnet die Höhe des Staubbachfalles mit 300 m etwa Z der Mächtigkeit des Gletschers, der ehemals 
auch dieses Tal geschaffen hat. Die widerstandsfähigeren Gesteine, die der Gletscher nicht forträumen konnte, 
hat er zu den auch uns im Tieflande 
bekannten Rundhöckern abgeschliffen, 
nirgends wirkungsvoller als am Grimsel- 
Passe. Solche Gesteinsblöcke liegen^be- 
sonders häufig an den Ausgängen der 
Täler, und die Flüsse müssen sich in 
schwerer Arbeit hindurchsägen, so daß 
die Klammen entstehen, wie die 
Partnach- und die Liechtenstein-Klamm 
(s. Bild 434, S. 808). Ihnen verwandt 
sind die Talengen, die sich da bilden, wo 
die Flüsse aus einem Längstal in ein Trogtal. 
Qoteitai einbrechen oder tief eingc- a Trogschultern, b Wasserfall, c Hängegletscher, d Fluß im Troggrunde, 
schnitten das Gebirge verlassen, es sind die sogenannten Klausen, wie die Ehrenberger Klause im Lechtal, 
vielfach die Stätten der Kämpfe um den Eintritt ins Gebirge, so die bei den Romfahrten oft umstrittene 
„Berneklus" an der Etsch oberhalb Verona. Solche, also auch geschichtlich wichtige Punkte bildet das 
Ennstal im sogenannten Gesäuse, die Salzach in der Enge des Passes Lüeg, der Inn im breiten Aus¬ 
gangstore bei Kufstein, der Lech oberhalb -Füssen an der Pforte von Reutte. — Aus der Eis- oder 
Diluvialzeit rührt auch der Gürtel der Boralpen her, der von der Aar bis an den Wiener Wald das Hoch¬ 
gebirge begleitet und aus dem fest verkitteten Gebirgsschutte besteht, der sogenannten Nagelfluh, die 
durch die Schmelzgewässer der ehemaligen Gletscher aufgearbeitet und umgelagert ist. Die mergelige 
Molasse der Schweizer Hochebene ist eine ältere Meeres- oder Brackwasserbildung. 
Während die Steilwände der Gletschertäler von der Verwitterung weniger und die glatten Rund¬ 
höcker, auf denen kaum Pflanzen haften können, fast gar nicht angegriffen wurden, konnte sie um so macht¬ 
voller in den präglazialen Massen der höheren Schichten, die nicht von Gletschern oder ewigem Schnee be¬ 
deckt waren, ihr Spiel treiben und bis in die Gegenwart, namentlich auch in den eisfrei gewordenen unter¬ 
sten Lagen fortsetzen. Sie vor allem hat die Fülle der Gipfel geschaffen, in denen uns heute der Haupt¬ 
schmuck und die Wesenheit des Hochgebirges liegt. So sind die mächtigen Formen des Zentralkammes, 
z. B. der Montblanc-Gruppe, verhältnismäßig jugendlichen Alters, jünger als die Gebilde bescheidenerer 
Höhe gegen die Ränder des Hochgebirges hin. In größeren Höhen wirkt am stärksten die Karbildung 
(s. S.701f.), die zurückschreitend den Felsenkamm in einen schmalen Grat verwandelt; wenn Kare, sich ent¬ 
gegenarbeitend, einander schneiden, meißeln sie aus dem Kamm neue Gipfel heraus. Sehr oft bergen 
diese nischenförmigen oder Armsesseln gleichenden Hohlkehlen auf ihrem Grunde einen K arse e oder stellen 
Firnmulden dar (s. S. 757). Auch die Schneegrube im Riesengebirge, die Steile Wand, w. vom Torf¬ 
hause im Harz, die Meeraugen in der Tatra (s. S. 62) sind Zeugnisse eiszeitlicher Vergletscherung. — 
Überall im Hochgebirge sind die winterlichen Staublawinen gefürchtet (s. S. 755).
	        
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