Lebensbedingungen der Pflanzen- und Tierwelt.
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wuchs wird in der gemäßigten Zone erschwert durch den rauhen Seewind, daher hat die Bewaldung der
deutschen Nordseeküste mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen.
Innerhalb kleiner Gebiete sind die Beschaffenheit des Bodens, seine physischen Eigenschaften
(Aufnahmefähigkeit für Wärme und Wasser, Durchlässigkeit) und seine chemischen (Beimengungen
von Kalk, Kieselerde und Salz) für die besondere Verteilung der Arten und Formen bestimmend.
So weicht auf stark durchlässigem Boden wie dem Latent Südaftikas der Waldwuchs leicht der Steppe
oder gar der Wüste; die gleiche Erscheinung bedingt auch ungemengter Boden aus Quarz, Kalk oder Gips.
Anderseits vernichtet die Moorbildung, die von gewissen Nährstoffen im Boden und von seiner Undurch¬
lässigkeit abhängt, im allgemeinen den Baumwuchs. Ihre weiten Flächen bedecken sich bis in die arktische
Zone hinein mit der Heide (Calluna vulgaris).
In derselben regional beschränkten Weise wie die Bodenart wirken schließlich auch der Ober¬
flächenbau, der Böschungswinkel des Bodens und die Lage der Abhänge zu den ver¬
schiedenen Himmelsrichtungen auf die Art und Verteilung der Pflanzenwelt.
Der Weinbau gibt dafür das bekannteste Beispiel. Viele Alpentäler tragen nur auf ihren nach S.
gerichteten Abhängen Felder oder sonstige Kulturen. In den Tälern der Ortler Alpen reicht der Getreide¬
bau an der warmen S.W.-Seite durchschnittlich bis 1640, an den N.W.-Gehängen nur bis 1200 na aufwärts*.
o) Lebensbedingungen der Tierwelt. Im allgemeinen sind die Tiere weit weniger als
die Pflanzen an bestimmte klimatische Verhältnisse gebunden, sie vermögen sich auch
leichter an eine Änderung des Klimas zu gewöhnen. Im ganzen pflegen den Tieren wie
den Pflanzen niedrige Mitteltemperaturen weniger nachteilig zu sein als starke Schwankungen
der Wärmegrade. Manche entziehen sich dem schädlichen Einfluß einer ihnen nicht zusagenden
Temperatur durch Wanderung; andere überdauern die Kälte- oder Trockenzeit, indem sie in
eine Art Ruhezustand verfallen (Kältestarre — Winterschlaf; Wärmestarre — Sommerschlaf).
Weit wichtiger als das Klima ist das Vorhandensein hinreichender Nahrung. In
dieser Hinsicht bildet die Pflanzenwelt unmittelbar und mittelbar die Grundbedingung des tieri¬
schen Daseins; denn wenn die Tiere auch nur zum Teil von Pflanzenkost leben, so nähren sich die
fleischfressenden Tiere vorwiegend von Pflanzenfressern, finden also nur da ihren Unterhalt, wo
ausreichende Pflanzennahmng vorhanden ist.
Die großen Raubtiere der Alten Welt sind mittelbar an das Vorkommen von grasreichem Weide¬
lands gebunden, da nur auf diesem die größeren Säugetiere leben können, die ihnen zur Nahrung dienen,
und der Löwe dringt nur so weit in die Sahara vor, soweit diese Säugetiere dort noch Nahrung finden.
Nicht allein das Nahrungsbedürfnis der Tiere schafft zwischen Pflanzen- und Tierwelt innige Be¬
ziehungen; viele Tiere sind auch in ihren Lebensgewohnheiten so sehr auf bestimmte Begetations-
formen angewiesen, daß man zwischen Wald-, Steppen-, Wüsten- und Moorfauna unterscheiden könnte.
Die Wassertiere sind vielfach an Temperatur und Salzgehalt des Wassers gebunden, daher die Verbreitung
der Korallen in den tropischen Meeren (s. S. 715) und die Scheidung zwischen mariner und Süßwasser¬
fauna. Freilich bestehen nicht immer feste Schranken zwischen Salz- und Süßwasser. Viele Seefische
wandern zur Laichzeit die Flüsse aufwärts, seltener gehen Flußfische ins Meer. — Wichtig ist ferner das
Fehlen oder Vorhandensein von überlegenen Feinden. Die schwächere Tierwelt der ozeanischen Inseln
und die schlecht bewehrten Tiere einer früheren Erdperiode (wie die Beuteltiere Australiens) sind nur
durch ihr „Leben in gesicherter Verbannung" vor dem Untergange bewahrt worden, da unüberschreitbare
Meeresräume sie von den in einer späteren Periode entstandenen Raubtieren der Festländer trennten.
Der Ausrottung zahlreicher Tierarten durch den Menschen wird erst durch die heutige Naturschutzbewegung
etwas Einhalt getan. Im Bestreben, sich gegen feindliche Mitbewohner zu schützen, tritt die Abhängigkeit
der Tierwelt von ihrer Naturumgebung deutlich in Erscheinung durch die „Schutzfärbung" (s. u.).
Die Größe der Tiere richtet sich weniger nach der Wärme als nach der Ausdehnung des Raumes, in dem
sie leben. Die weite Ländermasse der Alten Welt ist die Erzengungsstätte der größten Landtiere, und die
umfangreichsten Ozeane besitzen die größten Meertiere. So sind auch die meisten Tiere an gewisse Ver-
1 M. Fritsch, Über Höhengrenzen in den Ortleralpen. Leipzig 1895.