Full text: [Europa, ohne das Deutsche Reich] (H. 2 = Lehrstoff der Quarta)

1U3. Der Chiemsee. 
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Das Ruhpoldinger Thal, im Angesicht des 
majestätischen, schroffwandigen Rauschenberges, rings von 
malerischen Hügeln und Matten umschlossen, in den 
holden Sommertagen ein reicher Garten, ist wohl eines 
der beglückendsten Thaler unserer gesamten bayrischen 
Kalkalpen. 
(Zeichnen und Beschreihen). 
103. Der Chiemsee. 
Der Chiemsee, einst von den Römern dicht umwohnt, 
liegt zwischen dem Inn und der Salzach am Fuß der bayeri¬ 
schen Alpen. In diesem schönen See sonnen sich drei stille 
Eilande. Das eine umfangreichste, mit hohem Wald bewachsen 
und grün von Tristen, heißt Herrenwörth und führt seinen 
Namen von dem Mönchskloster, dessen mächtige Gebäude noch 
ans seiner Höhe prangen. Das andere war einst frommen 
Nonnen eigen, heißt deshalb Frauenwörth und trägt auch 
ein schönes Stift, das einst 783 der Bajuvarenherzog Thassily 
gegründet. Das dritte Eiland endlich heißt die A u oder die 
Krautinsel genannt und ist die Gemüsekammer der Ein¬ 
wohner von Frauenwörth. 
Auf der Insel Frauenwörth hat sich ein ganzes Dörfchen 
angesiedelt. Um einen Kranz von alten Linden und um einen 
frischen Anger herum liegen etwa vierzig Häuschen. Diese 
Fischerwohnungen mit breiten, hervorragenden Dächern und 
Galerien, die um den ersten Stock laufen, stehen alle am 
Gestade unter Obstbäumen, so daß mancher rotbackige Apfel 
in dem Schilfe schwimmt. Die Fenster verbergen sich unter 
Weinlaub, auf den Gesimsen stehen Rosenstöcke, in der Anlage 
vor dem Hause blühen Sonnenblumen und Königskerzen, die 
hinter den ausgespannten Fischernetzen wie aus Käfigen her- 
öorgucken. Maisfeldchen und Hopsengärtchen reichen bis ans 
Ufer, das hie und da mit grauen Marmorblöcken eingefaßt ist, 
auf denen Ruder und ausgediente Schiffsschnäbel liegen. Der 
ganze Strand des schmalen Ländchcns ist mit schwarzen Ein¬ 
bäumen gezeichnet, engen Fahrzeugen, die kunstlos aus einem 
Stück alter Eichen gezimmert werden. Aus der südlichen Ecke 
dieses Eilandes steht das Stift mit Garten und Hof und 
einem Münster, in dem das Grabmal der heiligen Irmengard 
sich befindet, welche aus karolingischem Geblüte und einst Vor¬ 
steherin des Klosters gewesen ist. — Sonntagsstille liegt über 
der Insel, und man hört kaum etwas anderes als Glocken-
	        
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