Full text: Länderkunde von Europa mit Ausnahme des Deutschen Reiches, Die koloniale Stellung der europäischen Mächte (H. 5)

B. Das Gebiet der Südeuropäischen Faltengebirge. — 3. Österreich-Ungarn. 21 
in größerer Zahl unter die Herrschaft der Habsburger, denen der Grenzstaat seit 
1282 gehörte. 1526 wurden die Königreiche Böhmen (mit Mähren und Schlesien) 
und Ungar:: gewonnen, und so stieg das Reich zur Großmacht empor. Durch die 
Zertrümmerung des Polenreiches kam Galizien, fast zu derselben Zeit von der Türkei 
die Bukowina hinzu, und infolge der ttirkischen Wirren nahm Österreich-Ungarn 
1908 Bosnien und die Herzegowina in dauernden Besitz. Seitdem keine Gefahr 
mehr von den Türkei: droht, fehlt dem Staate der innere Zusammenhang, der 
obendrein erschwert lvird durch die ausgesprochenen Gegensätze der Bodengestalt 
und der Bolksstännne. Trotz der Bemühungen des Herrscherhauses, die verschiedenen 
Staatsgebiete zu einem einheitlichen Ganzen zu gestalten, mußte es 1867 Ungarn 
(mit Kroatien und Slawonien) als selbständigen Staat anerkennen. So zerfällt 
die Monarchie in 
das Kaiserreich Österreich.......... 300 000 qkm, 27,5 Mill. E. 
das Königreich Ungarn........... 325 000 „ 20,5 „ 
das Reichsland Bosnien und Herzogowina . . 50 000 „ 2 „ 
Gesamtstaat......... 675 000 qkm, 50 Mill. E. 
Jedes der beiden erstgenannten Länder wird selbständig verwaltet. Genreinsam 
sind beiden Reichen die Person des Herrschers, das Landheer und die Marine, das 
Mtinzwesen und die auswärtigen Angelegenheiten. Bosnien und die Herzegowina 
stehen unter gemeinsamer Verwaltung beider Reiche. 
C. Bevölkerung. 
Die staatliche Entwicklung macht es erklärlich, daß Österreich-Ungarn in bezug 
auf die Abstammung seiner Bevölkerung sowie nach Sprachen und Sitten unter 
allen Großstaaten Europas die geringste Einheitlichkeit zeigt1. Mehr als 11 Millionen 
sind Deutsche. Sie wohnen in den Alpenländern, die südlichen Alpenketten aus¬ 
genommen, und an den Randgebirgen Böhmens, außerdem in vielen Sprachinseln 
fast in allen Teilen des Reiches, bis nach Siebenbürgen. Die Slawen machen mit 
21 Millionen fast die Hälfte der Gesamteinwohnerzahl aus. Sie gehören verschiedenen 
Stämmen an. Ihre Wohnsitze sind der N und 8 der Monarchie. Es wohnen die 
Tschechen in Böhmen und Mähren, die Slowaken im nördlichen Ungarn, die Polen 
und Ruthenen in Galizien, die Slowenen in Krain, Kroaten und Serben südlich davon. 
9 Millionen Magyaren smadjärensj oder Ungarn bewohnen das Donau-Tiefland, 
wo sie sich um das Jahr 900 n. Ehr. zwischen Nord- und Südslawen eingeschoben 
haben und den einzigen der Sprache nach nicht indogermanischen Volksstamm 
bilden, der sich eine beachtenswerte Stellung unter den abendländischen Kultur¬ 
völkern erobert hat. Dazu kommen noch 1 Million Italiener in Südtirol und 
auf dem Küstensaume des Adriatischen Meeres, 3 Millionen Rumänen in Sieben¬ 
bürgen und der Bukowina, Zigeuner u. a. m. Keine dieser Nationen überwiegt 
so entscheidend, daß sie zur Herrschaft über die ander,: berufen wäre. Die geistig 
und gewerblich am höchsten stehenden Deutschen waren bis vor 30 Jahren das 
herrschende Volk; aber seitdem streben die slawischen Stämme, besonders die Tschechen, 
nach völliger Selbständigkeit, und die Magyaren herrschen in Ungarn. Noch ist das 
1 Wohl weist Rußland ein noch bunteres Völkergemisch auf, aber einer seiner Volks¬ 
stämme, der russisch-slawische, hat durch seine große Kopfzahl das Übergewicht über alle 
andern Stämme zusammen und herrscht vor, wodurch dies Reich in höherem Grade ge¬ 
einigt erscheint als Österreich-Ungarn (S. 100).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.