338 Die Ebene der Oker.
die flach erhabenen Figuren in helleren Farben auf dem rotbraunen Grunde
darzustellen. Das figürliche Relief bezieht sich aus die Festfeier der kleinen
Elensinien und zerfällt in drei Gruppen: in der Mitte die Vereinigung der Gott-
heiten, rechts vier Festteilnehmer mit Opfergaben und links die Priesterinnen.
Dieses Stück von außerordentlichem Werte ist bei der Eroberung von Mantua
(1630) in den Besitz des Herzogs Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg und
später durch Erbschaft an das brannschweigifche Fürstenhaus gekommen. Herzog
Karl I. verleibte dasselbe 1760 dem Museum ein; 1806 ward es vor den
Franzosen nach Glücksburg geflüchtet. Vergebens ließ Napoleon I. dem Herzoge
500 000 Frank dafür anbieten, welche fogleich von der Kontribution des Landes
abgeschrieben werden sollten. Im Jahre 1811 brachte Oberst Fleischer von
Nordenfels das Onyxgefäß nach England; erst im Jahre 1814 ward es dem
Mufeum zurückgegeben, aus dem es jedoch Herzog Karl II. im Jahre 1830
ins Exil mitnahm. Aus feinem Nachlasse lieferte es die Stadt Genf (bekanntlich
die Universalerbin des Ex-Herzogs) am 27. März 1874 wieder aus.
Erwähnenswert ist ferner Luthers Doktorring'und Trauring, das Pet-
schast der Maria Stuart, ein Saphir, welchen Karl II. als Siegelring fassen
ließ (gleichfalls im Jahre 1874 von Genf zurückgegeben).— In der Gemälde¬
sammlung sind circa 400 Maler vertreten.
Wenden wir uns nunmehr dem in südwestlicher Richtung vom Burgplatze
liegenden „Altstadtmarkt" zu, dem seiner gotischen Umgebung wegen schönsten
Platze der Stadt. Im Westen wird derselbe von der Martinikirche, der
ehemaligen Hauptkirche der Stadt, begrenzt. Über den Erbauer dieses Herr-
licheu Gotteshauses herrschen verschiedene Ansichten. Während die einen den
Bau dem Herzoge Heinrich dem Löwen zuschreiben, mutmaßen andre, daß er
den Patriziern der Altstadt seine Entstehung verdanke. Wie die unterm
22. Oktober 1204 vom Kaiser Otto IV. ausgefertigte Urkunde, in welcher der
städtischen Gemeinde das Patronatsrecht über die Kirche erteilt wird, ergibt,
müssen die Herzöge an dem ursprünglichen Bau einen großen Anteil gehabt
haben. Daher wird man wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß der
ursprüngliche von Heinrich dem Löwen begonnene Bau, von welchem vielleicht
noch die Türme herrühren, im 13. und 14. Jahrhundert durch Neubauten ersetzt
worden ist, welche von den Patriziern ausgeführt find.
Die beiden gleichen Türme, die einzigen vollständig erhaltenen romanischen
der Stadt, lausen in zwei lange mit Blei gedeckte Spitzen aus und erreichen
eine Höhe von 65,5 m. Der „Dachreiter" ist 36,g m hoch. — Die Kirche selbst
ist jedoch in gotischem Stile erbaut und ihr Äußeres reich mit plastischem Schmuck
geziert. An den Außenpfeilern des 6 m langen Vorsprungs des Chors finden
sich in Tabernakeln die Statuen von vier Heiligen und diejenige Luthers, welch
letztere bei der Reformation den früheren Inhaber der Nische verdrängte. Das
östliche Portal des nördlichen Seitenschiffes, die sogenannte Brautthür, enthält
nicht ohne treffende Beziehungen in der Giebelwand die Bildsäulen des Heilandes
und der ihn umgebenden fünf klugen und fünf thörichten Jungfrauen. Das
Relief im Bogenfelde dieser Thür stellt den Tod der Jungfrau Maria dar.
Das sogenannte Priesterthor an der Südseite wird im Giebelfelde außer andern
durch die Statuen der Himmelskönigin und der heiligen drei Könige geschmückt.
Die „Taufthür", die westliche Thür der Nordseite, zeigt im Bogenfelde das