Metadata: [[2] = Mittelstufe, [Schülerbd.]] ([[2] = Mittelstufe, [Schülerband]])

— 
37 
— 
dem giebt man für die Stund' einen Gulden; 
wer wacker und fleißig ist, macht Schulden; 
dem, welcher da sein Geld verspielt, 
man alles zwiefach gleich vergilt, 
und wer seine Schuld nicht gern bezahlt, 
auch wenn sie wär' ein's Jahres alt, 
dem muß der andere doppelt geben. 
Der, welcher liebt ein lustig Leben, 
kriegt für den Trunk einen Batzen Lohn. 
Für eine große Lüge giebt man eine Kron'. 
Verstand darf man nicht lassen sehn, 
aller Vernunft muß man müßig gehn; 
wer Sinn und Witz gebrauchen wollt', 
dem wär!' kein Mensch im Lande hold; 
wer Zucht und Ehrbarkeit hätt' lieb, 
denselben man des Lands vertrieb'; 
und wer arbeitet mit der Hand, 
dem verböt' man das Schlauraffenland; 
denn wer träg ist und nichts will lern'n, 
der kommt im Land zu großen Ehr'n, 
und wer der Faulste wird erkannl, 
derselbe ist König dort im Land. 
Wer wüst, wild und unsinnig ist, 
grob, unverständig zu aller Frist, 
aus dem macht man im Land einen Fürsten; 
wer gerne ficht mit Leberwürsten, 
aus dem ein Ritter wird gemacht; 
und wer auf nichts weiter acht't 
als auf Essen, Trinken und Schlafen, 
aus dem macht man im Land einen Grafen. 
Wer also lebt, wie obgenannt, 
der ist gut im Schlauraffenland, 
in einem andern aber nicht. 
Drum ist ein Spiegel dies Gedicht, 
darin du sehest dein Angesicht. 
Hans Sachs. 
55. Der Grenzlauf. 
Einst stritten die Urner mit den Glarnern bitter um ihre Lan— 
desgrenze, beleidigten und schädigten einander täglich. Da ward 
von den Biedermännern der Ausspruch gethan; zur Tag und Nacht— 
gleiche solle von jedem Teil frühmorgenß, sobald der Hahn krahe, 
ein rüstiger, kundiger Fußgänger ausgesandt werden, und jedweder 
nach dem jenseitigen Gebiet zu lausen und da, wo sich beide 
Männer begegneten, die Grenzscheide festgesetzt bleiben, das kürzere 
Teil möge nun fallen diesseus oder jenseits Die Leue wurden 
gewählt, und man dachte besonders darauf, einen solchen Hahn 
zu halten, der sich nicht verkrähe und die Morgenstunde auf das 
allerfruͤhste ansagte. Und die Urner nahmen einen Hahn, setzten ihn
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.