168 Scenen aus dem Volksleben in Ägypten.
mit ya walid soeir „o kleiner Knabe" angerufen, muß er die
Schlangen aus dem Sacke ziehen, in welchem sie zusammengerollt
daliegen, und der Ziege kleine Klötze unter die Beine schieben, so daß
ihre vier Füße wie zusammengebunden auf einem kleinen Räume dicht
beieinander stehen.
Auf der breiten Straße für Wagen und Reiter, neben dem Platze
der Esbekieh, zieht eine Abteilung kriegerisch aussehender Baschi-
Bozuks vorbei, an ihrer Spitze zwei Paukenschläger, welche unauf-
hörlich und taktlos aus einige Pauken losschlagen. Die Leute der
kleinen Abteilung sind bis auf ein buntrot gekleidetes Mitglied grün
uniformiert. Einer trägt, offenbar zum Staat, einen englischen
Regenrock, andere tragen statt der Reitstiefeln rote Pantoffeln und
haben die Stiefeln ausgezogen und an den Sattelknopf gehängt.
Der Offizier an der Spitze kaut behaglich an einem Stück Zucker-
rohr, ein Soldat hinter ihm ißt einen großen Ziegenkäse, und ein
anderer steckt sich an der brennenden Pfeife eines vorübergehenden
Arabers eine Cigarre an. So reiten die Truppen des Vicekönigs
zu irgend einer Übung aus Kairo hinaus, über die Stelle hinweg,
wo einst ein Thor stand. Der verstorbene Vicekönig Ägyptens hat
nämlich die neueren Stadtthore Kairos, aus einer sonderbaren Anti-
pathie gegen Stadtthore, sämtlich schleifen lassen.
Die Schatten der Abendsonne, welche mit blutrotem Scheine
hinter den Gebüschen der reizenden Nilinsel Nodah verschwindet,
werden immer länger uud die Finsternis breitet sich plötzlich wie ein
Schleier über das unruhige Kairo aus.
In leuchtender Pracht tauchen die ewigen Lichter am nächtlichen
Himmel auf. Nur noch in dunkeln, kaum erkennbaren Formen zeich-
nen sich die Umrisse der Häuser am Himmel ab, während das Rau-
schen der Palmenwipfel allmählich verstummt. Der kühlende Nord-
wind legt sich des Abends zur Ruh, um mit erneuerter Kraft am
Morgen lustig in die Segel der Nilbarken zu blasen, welche jetzt
müßig an den hohen Ufern des Nils hin- und herschaukeln. Der
Gesang des Mueddins von den Minarets herab fordert die frommen
Anhänger des Propheten beim Anbruch der Nacht zum Gebet auf,
dem vorletzten von den fünf, welche der Koran vorschreibt. Die
großen, schweren, mit Eisen beschlagenen Thüren, welche die ein-
zelnen Viertel der Stadt von einander trennen, schlagen die Wächter
zu, schieben den mächtigen Riegelbalken vor und geben sich und ihr
Viertel in den Schutz Gottes und seines Propheten. Dann hocken