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Central-Afrika und die Negerbevölkerung.
Die KulturbeMiMg der Neger.
Vom Herausgeber.
In dem letzten Jahrzehnt ist die Negerbevölkerung Afrikas von
zahlreichen Forschungsreisenden und Missionaren so eingehend studiert
worden, daß das höchst ungünstige Urteil mancher Ethnographen
sich wesentlich geändert hat; namentlich wird keiner mehr alle Neger-
Völker über einen Kamm scheeren und allgemeine absprechende Mei-
nungen wie die Franklin's: „Der Neger ist ein Tier, welches mög-
lichst viel ißt und möglichst wenig arbeitet," unterschreiben wollen.
Als Carus 1849 die bis dahin angestellten Studien zusammenfaßte*),
kam er zu dem Ergebnis: „Der typische Kopfbau des Negers zeigt
ein weniger entwickeltes Vorderhaupt, aber ein ausgebildetes Mittel-
Haupt bei einem gewöhnlich fehr stark ausgebauten Hinterhaupt.
Zieht man die Lehren von der Grundbedeutung dieser Kopfgegenden
zu Rate, so erhält man den Begriff eines Seelenlebens mit niederer
Befähigung zu hoher Intelligenz, aber bei viel Gemütlichkeit mit
starkem Begehren und kräftigem Wollen. — Die Möglichkeit zu
einem wenn auch etwas materiellen, aber doch immer echt mensch-
lichem Lebensglück." — Bekanntlich ist die Negerrepublik Liberia,
die der Geograph Ritter 1853 als einen „Lichtpunkt" bezeichnete,
zum größten Teile in die alte afrikanische Barbarei zurückgefallen;
doch zeigen sich auch hier unter allen Mißständen Anfänge einer
bessern Gesittung und eines Rechtsbewußtseins, welches diese Neger,
im Laufe eines dazu jedenfalls nötigen längeren Zeitraumes, der
europäischen Kulturstufe näher zu bringen verspricht.
Zu den Negern, die sich durch Talente und Kenntnisse oder
durch literarische Leistungen ausgezeichnet haben, gehören noch der
Negerbischof Dr. Crowther, die Naturforscher Ferguson und Lead-
betters, der Autodidakt Ellis, ein Schmied aus Alabama, der Latein,
Griechisch und Hebräisch gelernt hatte. Bekannt ist der Schauspieler
Jra Aldridge. Die Civilisationssähigkeit der Neger ist nach den
Stämmen derselben äußerst verschieden. Rohlss stellt z. B. die
Neger von Lagos sehr hoch: er fand dort eine schwarze Salondame,
welche die schwierigsten Stücke von Beethoven und Mozart meister-
*) 6. G. Carus, Über die ungleiche Befähigung der verschiedenen
Menschheitsstämmen für höhere geistige Eutwickelung. Leipzig 1849.