Spinnerei und Weberei.
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Stärke u. dgl. geleitet, worauf sie zwischen zwei aufeinander liegen¬
den Walzen hindurchging, welche die überschüssige Flüssigkeit aus¬
quetschten. Nachdem die Kette durch einen Trockenraum geführt
war, lief sie auf einen Webebaum, um dann in den Webstuhl ein¬
gelegt zu werden.
Im Websaal war ein Arbeiter gerade damit beschäftigt, die
vielen Fäden einer Kette an das Geschirr eines mechanischen
Webstuhls anzuknoten. Dann wurde die Kette in den Web¬
stuhl gespannt, und nun konnte die Arbeit beginnen. Ein ohr¬
zerreißendes Getöse, von den vielen Webstühlen verursacht, erfüllte
den Saal. Ich sah zu, wie ein Webstuhl arbeitete. Eine Anzahl
von Kettenfäden (ein sogenanntes Webfach) hob sich empor; an
jeder Seite des Stuhles war ein Schläger angebracht; einer schleuderte
den „Schützen“, welcher eine Spule mit dem Einschlagfaden enthält,
in der Querrichtung durch die Kette. Nach dem Schuß schlug
Fig. 10. Leim- und Trockenmaschine ans der „Sächsischen Webstuhl¬
fabrik“ (L. Schönherr) in Chemnitz.
ein Rahmen den Einschlagfaden gegen das bereits fertige Gewebe
an, worauf sich ein anderes Webfach hob und der andere Schläger
einen neuen Schuß erfolgen ließ, und so ging es taktmäßig weiter.
Vergeblich bemühte ich mich, die Einrichtung des Webstuhls ein
wenig zu ergründen. Mein Führer sagte, der Mechanismus sei so
zusammengesetzt, daß es wohl einiger Stunden bedürfe, um einem
Laien das kunstvolle Ineinandergreifen so vieler Einzelteile zu er¬
klären, auch wenn ihm der einfache Handwebstuhl bereits be¬
kannt sei.
3. Jetzt wollte ich mich dankend verabschieden; allein der
Beamte versetzte: „Sie halten wohl das von den Webstühlen kom¬
mende Tuch für fertige Ware? Dazu fehlt noch viel; allein Sie
werden wohl ermüdet sein.“ „O nein, ich möchte Sie nur nicht
allzusehr in Anspruch nehmen,“ erwiderte ich. „So folgen Sie mir,
damit Sie auch noch von der Zubereitung oder Appretur des
Tuches einen Begriff bekommen. Diese Mädchen hier entfernen
aus dem rohen Tuch alle Unreinheiten, wie Wollfasern und Knöt¬