Afrika. Mittel- und Unter-Aegypten. §. 37.
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An der Grenze von Mittel - Aegypten, oberhalb der Spaltung des
Nils und unweit des Eingangs zum Thale der Verirrungen (durch
welches der Auszug der Israeliten nach dem rothen Meere geschah), liegt
der „Mittelpunkt des neueren Aegyptens", KairoJ350 000 E. ans fast
allen Völkerfamilien der alten Welt), die größte ^tadt Afrika's und der
arabischen Welt, die zweite des türkischen Reiches (zunächst nach Eon-
stantinopel), eine Schöpfung des Mittelalters, welche Kunst und Wissen-
schaft pflegte, als Europa in Barbarei versunken war, jetzt Residenz
des dem türkischen Sultan tributpflichtigen, erblichen Vicekönigs
(Khedive) von Aegypten.
Unterhalb Kairo erweitert sich das Thal, die libysche Kette verflacht
sich gegen N.-W. in die libysche Wüste, die arabische bricht fast recht-
winkelig ab und zieht sich gegen Suez hin. Hier beginnt der Nil seine
Deltabildung, indem er sich in zwei (ehemals 7) Mündungsarme
theilt, wovon der nordwestliche bei Rosette, der nordöstliche, wasser-
reichere, bei Damiette das Mittelmeer erreicht. Beide Städte lagen
noch zur Zeit der letzten Kreuzzüge am Meere, sind aber durch das
Vorrücken des Schwemmlandes in Nilstädte verwandelt worden.
Die Meeresküste wird in ihrem Vorrücken durch das Entgegenströmen
des Meeres gehindert, welches einen Theil der vom Flusse herbeigeführten
Schlammmassen nöthigt, sich in Dünen und Nehrungen abzulagern. Daher
entstehen Binnenseen, die sich nur bei hohem Wasserstande des Nils oder bei
stürmischer See füllen, sonst aber zu Morästen werden. Der Kampf der
Elemente dauert hier ununterbrochen fort. Dem von Mehemed Ali (1819)
wieder hergestellten Mahmudie-Canal (ans dem Arm von Rosette) und
der Eisenbahn über Kairo nach Suez verdankt Ate^andria (auf einer Nehrung
des Sees Mareotis, außerhalb der Mittelmeerströmnng von Alexander dem
Großen gegründet), der größte Seeplatz des Alterthums und des Mittelalters, jetzt
das wichtigste Verbinduugsglied iu der englifch-ostindifchen'Route, sein rasches
Wiederaufblühen (212 000 E.). — Suez ist, seit der Eröffnung der Eisenbahn ^
nach Alexandria, und noch mehr seit der Eröffnung des Suez-Eauales, der
wichtigste Durchgangspnnkt für den indischen Waaren- und Personenverkehr.
Das uralte Project, das mittelländische und rothe Meer vermittelst eines Canals
zu verbinden (der im Alterthum vom Nil aus uach dem rothen Meere angelegt
wurde), ist in jüngster Zeit (1854) wieder aufgenommen und (1869) die Verbindung
beider Meere durch den 22 M. langen Suez-Canal unter Benutzung der beiden
Bitterseen und des Menzalch Sees hergestellt worden. Wegen der die Küste Aegyptens
verschlammenden Strömung des Mittelmeeres und der Anhäufung des Nilschlammes
vor der Küste ist das am Nordende des Canals, auf der schmalen Nehrung zwischen
dem Menzaleh-See und dem mittelländischen Meere, angelegte Port-Said durch
zwei lange Hafendämme gegen Versandung geschützt worden. Der Verkehr auf dieser
neuen Route nach Indien hat seit der Eröffnung derselben in staunenswerther Pro-
grefsion zugenommen.
§. 38.
Die getrennten Gedirgsglieder in Afrika.
Nur der nördlichste Theil Afrika's enthält getrennte Gebirgsglieder:
das Hochland der Berberei mit dem Atlasgebirge und das