Full text: Lehrbuch der vergleichenden Erdbeschreibung

Mittel-Europa. Alpen. §. 52. 
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C. Mittel-Europa. 
In Mittel-Europa ist die Forin des Gebirgslandes ebenso vor- 
herrschend, wie in Ost-Enropa die des Tieflandes, und die Vertheiluug 
beider Formen ist in der Weise einander entgegengesetzt, daß in Ost- 
Europa das Tiefland die Mitte einnimmt und die Gebirge nur als 
Grenzsteine dienen, in Mittel-Europa dagegen^ ein Hochgebirge den 
Mittlern Kern bildet, um welchen sich an drei Seiten Mittelgebirgs- 
Landschaften lagern, während das Tiefland den äußersten Saum 
im Westen und Norden, zum Theil auch im Süden und Osten ausmacht, 
nicht aber in der Mitte liegt. 
§. 52. 
Äas Hochgebirgsland der ^lpen. 
Der mächtige Gebirgsgürtel, welcher sich, in gleicher Entfernung 
von dem Pol und dem Aequator (44.—48.° n. Br.), zwischen^Mittel- 
und Süd-Europa, in einem Bogen von 135 M. Länge und einer von 
West nach Ost zunehmenden Breite (von 22—32 M.), aber ab- 
nehmenden Kammhöhe zieht, hat den erhabenen Charakter der Ober- 
fläche Mittel-Europa's bestimmt. Sechs Länder (Frankreich, die Schweiz, 
Italien, Bayern, Oesterreich, Ungarn) erhalten von ihm einen Theil 
ihrer Bodenformen, fünf große Stromsysteme (Donau, Nheiu, Rhone, 
Po und Etsch) gewinnen aus seinen Schnee- und Eisfeldern fortwährend 
reichliche Nahrung und bilden Straßen des Verkehrs zu vier verschiede- 
nen Meeren. 
Die Alpen, „die Krone Europa's", sind zwar nicht mehr (wie im 
Alterthnme) die Grenzscheide zwischen der cnltivirten und nichtcnltivirten 
europäischen Welt; aber sie theilen nnsern Erdtheil in zwei ungleiche Hälften, 
die durch Klima, Vegetation, wie durch Bevölkerung uud Sprache wesentlich 
verschieden sind. Sie unterscheiden sich von. den Hochgebirgen Asiens und 
Amerika's durch ihre große Zugänglichkeit, Anbaufähigkeit, Bewohnbarkeit 
und sind daher zu einem Lande der Völkeranziehung, zum Wohnsitze für eine 
Reihe eultivirter Völkerschaften, zu eiuem Uebergangslande für die Cultur- 
läuder zu ihren beiden Seiten geworden. 
Horizontale Gliederung der Alpen. 
Im Westen vom Tieslande der Rhone begrenzt, im Norden von der 
schweizerischen Hochebene (vom Genfer- bis zum Bodensee), von der 
schwäbisch-bayerischen Hochebene und der Donau, im Osten von der uuga- 
Tischen Tiefebene, im <öüben vom adriatischen Meere, von der Po^Ebene 
und dem Mittelmeere, enthalten die Alpen einen Flächenraum vou 4500 
□ Meilen. Sie sind also nicht das ausgedehnteste Gebirge Europa's, 
denn die Karpaten nehmen einen wenigstens ebenso großen, das scandi- 
navische Gebirge und der Ural einen größeren Raum ein, aber in Bezug 
auf Erhabenheit, Mannichfaltigkeit und Schönheit der Naturformen, wie 
auf scharfe Eontraste im Völkerleben gebührt ihnen die erste Stelle. 
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