Full text: Lehrbuch der vergleichenden Erdbeschreibung

164 Alpen. Vertikale Gliederung. 52. 
Der ganze Alpengürtel zerfällt nach seinen Hanptrichtnngen in zwei 
an Ausdehnung sehr verschiedene Arme: einen kürzern (40 M.) unb 
schmälern, die West-Alpen, in gerader Richtung von Süd nach Nord 
(vom Mittelmeere bis znm Montblanc), und einen längern (95 M.) 
und durch Parallelketten zugleich breitern, die Central- und die Ost- 
Alpen, in einem Bogen von Südwest nach Nordost (von dem Nhone- 
thal bis zur ungarischen Tiefebene und dem adriatischen Meere). Die 
beiden Arme vereinigen sich in dem Pnnkte der höchsten Erhebung des 
Ganzen, d. h. in der Grnppe des Montblanc. Der östliche Hauptarm, 
dessen Hauptthäler sich vorzugsweise nach Norden oder Osten öffnen, hat 
daher deutsche und einige slavische Bevölkerung erhalten, der westliche, 
zwischen Italien und Frankreich, romanische. 
Vertikale Gliederung der Alpen. 
In Bezng auf die absolute Erhebung der Alpen über den Meeres- 
spiegel unterscheidet man: Vor-Alpen, Mittel-Alpen und Hoch- 
Alpen. 
a. Die Vor-Alpen finden sich fast ausschließlich auf der Nordseite, 
welche weit weniger steil abfällt, als die Südseite. Ihr Fuß ruht manchmal 
schon auf einer Hochebene von 650 in absol. Höhe. Sie erstrecken sich bis 
zur Grenze des Baumwuchses hinauf, übertreffen also an Höhe (1600 in) 
fchon alle mitteldeutschen Gebirge und enthalten einen Reichthum an Wäldern 
und Frühlingsweiden, bevölkerte Thäler mit Dörfern, Flecken und Städten. 
b. Die Mittel-Alpen, von der Grenze des Baninwnchses bis zu der 
des ewigen Schnees (2600 m), enthalten die Almen oder Alpenweiden, d. h. 
Triften, welche mit Gras, Blumen und Alpenkräntern bedeckt und im 
Sommer von zahlreichen Heerden belebt sind, wo der „Senne" (in den Ost- 
Alpen der „Schwaiger" genannt) seine Alpenwirthschaft treibt. Hier ist 
zugleich die Heimat der dem Alpenlande eigenthümlichen Thiere: der Gemse, 
des Steinbocks, des Murmelthier^ u. s. w. 
c. Die Hoch-Alpen oder die Region des ewigen Schnees und Eises, 
welche an der Nord- oder Schattenseite der Alpen bei etwa 2600 m, auf der 
Südseite (fast ebenso auf der Ostseite) bei 2860 in Höhe beginnt, sind die 
Wohnung eines ewigen Winters, wo nnr an Felswänden, die zu steil sind, 
um dauernden Schnee zu tragen, das grane, nackte Gestein hervorragt und 
bis zur Höhe von 3400 in noch zuweilen mit kümmerlichen Moosen und 
Lichenen, als den letzten Spuren des Pflanzenlebens, bekleidet wird. 
Die erhabensten Rücken der Alpenketten sind mit Schneefeldern überzogen, 
nicht aber mit Gletschern. Denn diese liegen nur an den tiefsten Enden der 
Schneefelder, als deren gefrorene Abflüsse; der Mangel an atmosphärischem Nieder- 
schlag setzt ihrer Bildung eine obere Grenze, welche in den Alpen nicht leicht 3200 ra 
übersteigt. 
Gletscher (in Tirol: Ferner — von „Firn" [d. h. der vom vorigen Winter 
liegen gebiebene alte Schnees —, in den norischen Alpen: Kees, in dem romanischen 
Graubünden: Vedretto oder Vadret^i finden sich fast nur auf der Nordseite der 
Alpen, weil die Südabdachung zu sehr der Sonne ausgesetzt und in der Regel zn 
steil ist. Die an ihrem Fuße, oft aus gewaltigen Eispforten, hervorfließenden wilden, 
trüben Gletscherbäche bilden mit ihren reichen Wasserschätzen die nie versiegende 
Quelle der schiffbarsten Ströme Mittel-Europa's, welche im heißen Sommer daher 
ihre reichsten Spenden erhalten, zum Ersatz für das, was die ui-edrigen Berge und
	        
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