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weiten Welt ein Fortkommen zu suchen, und er sucht es lieber recht fern, 
als in England, wo man sein geliebtes Vaterland mit einer gewissen 
Verachtung betrachtet. Die in Deutschland und andern Ländern ange¬ 
siedelten Briten sind zum größten Theil Schottländer. 
Frömmigkeit, Ehrlichkeit, Arbeitsamkeit ist der Charakter des Volks 
im Allgemeinen; dazu eine ungemessene Liebe zu ihrem Lande, zu ihrer 
vaterländischen Literatur. Mit ihr, wie mit den Alten, ist Jeder bekannt, 
der nur einigen Anspruch aus Bildung macht. Sie hegen hohe Ehrfurcht 
für Alles, was auf ihre ehemaligen besseren Tage hindeutet. Maria 
Stuart hat hier noch unzählige warme Verehrer, und jede Reliquie, die 
von ihr übrig geblieben, wird wie ein Heiligthum betrachtet und sorgfältig 
aufbewahrt. 
Die bildende Kunst will unter britischem Himmel nicht recht ge¬ 
deihen; doch daß sie wenigstens nicht immer dort nach Brote geht, davon 
fanden wir den Beweis bei einem wirklich ausgezeichnet guten Künstler, 
Namens Reaburn. Wir besuchten ihn in seinem eigenen, elegant gebauten 
und möblirten Hause, in welchen! er mit seiner Frau und vier Kindern 
auf einem sehr angenehmen Fuß lebt. Ein ähnliches Landhaus besitzt er 
vor der Stadt, und alles dies erwarb ihm sein Pinsel, denn er war ohne 
Vermögen. Freilich hat er einen Kunstzweig erwählt, der wohl nirgends 
so belohnt werden würde, als in Großbritannien: er malt Pferde, aber 
so wunderschön, mit solcher Wahrheit, daß selbst ein nichtenglisches Auge 
davon entzückt werden muß. Auch menschliche Porträts gelingen ihm gut, 
aber die Conterfeis der vierfüßigen Lieblinge manches reichen Lords haben 
eigentlich doch seinen Ruhm gegründet. 
Pferderennen. 
Das Pferderennen, welches so viel Fremde in Edinburgh versammelt 
hatte, konnten wir nicht unbesucht lassen; wir wohnten noch den beiden 
letzten und wichtigsten bei. Gewöhnlich werden sie in andern Orten aus 
einer dazu eingerichteten großen Wiese gehalten; hier aber hat man, wun¬ 
derlich genug, das Ufer des Meeres bei Leith dazu gewählt, den Strand, 
welchen das Meer zur Zeit der Fluth bedeckt. Darum muß die Stunde 
genau abgepaßt werden. Uns schien die Expedition nicht ganz ohne Ge¬ 
fahr. Sollte den alten Poseidon einmal eine Laune anwandeln, und er 
schickte seine Wogen etwas früher zurück, so möchte wohl die Katastrophe 
des Königs Pharao im Rothen Meere nochmals wiederholt werden, und 
Edinburgh wäre mit einem Male verödet, denn Niemand bleibt bei diesem 
wichtigen Feste zu Hause, wenn er nicht muß. 
Auf dem nassen, psützenreichen Sande, wo es unbegreiflich ist, wie 
die Pferde festen Tritt haben können, und der noch obendrein wie ein Fisch¬ 
markt riecht, ist ein Platz mit Schranken von Stricken umgeben. Alte
	        
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