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B. Die natürlichen Landschaften Elsaß-Lothringens.
eine Gründung Ludwigs XIV., und zur Deckung des Rheinüberganges bei
Breisach befestigt, liegt in einiger Entfernung vom Rhein am Rhein-Rhone-
Kanal. Alle Städte von Bedeutung liegen bis Straßburg hin entweder im
Tale der III oder am Austritt der Nebenflüsse aus den Vogesen in das
Rheintal. Hierher gehören Altkirch, der Hauptort des Sundgaus, Mül-
hausen, Ensisheim, Colmar, Schlettstadt, Benfeld, Erstein und
Straßburg selber, der natürliche Mittelpunkt der mittelrheinischen Tiefebene.
Straßburg, die Hauptstadt des Reichslandes, ist entstanden am kreuzungs-
punkt der großen, am Rheine entlang ziehenden Heerstraße und jener, die
von Lothringen her durch das Zorntal die Rheinebene durchquert und in der
Kraichgauer Pforte bei Pforzheim ihre Fortsetzung findet. Da, wo sich die
Ausläufer der fruchtbaren Lößterrasse am meisten dem Rheine nähern und
der den Überschwemmungen des Stromes ausgesetzte Streifen der Ebene auf
die geringste Breite zusammengedrängt ist, fanden die Römer die keltische
Ansiedlung Argentoratum vor, die sie zum Standort einer Legion machten.
Die Eckpunkte dieser Militärstation werden auf dem heutigen Plan (Fig. 6,
S. 41) etwa bezeichnet durch den Ferkelmarkt, den Neukirchplatz, das Statt-
Halterpalais und die St. Stephanskirche. Nachdem die Stürme der Völker-
Wanderung über die Ansiedlung hinweggebraust waren, erhob sich auf den
Trümmern des alten Argentoratum das neue Straßburg.
In der Zeit der Zugehörigkeit zum Fränkischen Reiche vollzog sich die
erste Erweiterung (Fig. 7, S. 41). Nachdem die Herrschaft des Bischofs ab-
geschüttelt und Straßburg zur freien Reichsstadt erhoben worden war, ge-
langte die Stadt zu hoher Blüte. Von ihrem stetigen Wachstum zeugen
die mehrfachen Erweiterungen, die im Laufe des 13. bis 15. Jahrhunderts
vorgenommen wurden. In diese „Blütezeit" fällt die Errichtung des Münsters,
nächst dem Eölner Dome die großartigste Schöpfung des gotischen Stiles auf
deutschem Boden (Fig. 21, S. 61). Es ist ein Meisterwerk des größten mittel-
alterlichen Baumeisters, Erwin von Steinbach, in gleicher Weise ausgezeichnet
durch die Mannigfaltigkeit der Formen wie den Reichtum an architektonischem
Schmuck, und legt am besten Zeugnis ab von der Macht der Stadt und
ihrer Bürgerschaft. Mit dem Übergange Straßburgs an Frankreich infolge
der Kapitulation vom 30. September 1681 endete die Geschichte Straßburgs
als eines selbständigen Gemeinwesens, und die Stadt hörte auf, ein Bollwerk
des Reiches zu sein. Losgelöst von dem Reiche, zu dem es auch auf Grund
natürlicher Verhältnisse gehörte, wurde Straßburg in seiner Entwicklung volle
zwei Jahrhunderte gehemmt. Denn die Erweiterung, die gleich nach der
französischen Besitzergreifung vorgenommen wurde, diente nur militärischen
Zwecken. Nicht nur die räumliche Ausdehnung der Stadt war unter franzö-
sischer Herrschaft durch die Festungswerke unmöglich gemacht, auch die Ver-
mehrung der Bevölkerung schritt nur langsam vorwärts. Erst die Ereignisse
des Jahres 1870 haben Straßburg aus der unnatürlichen Verbindung gelöst
und die Bedingungen geschaffen, die auch für Straßburg zu einer groß-
städtischen Entwicklung führten.