Full text: Landeskunde des Reichslandes Elsaß-Lothringen (Erg.)

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C. Geschichtliche Entwicklung, Verfassung und Verwaltung. 
Lothringen mit Metz von Frankreich abgetreten und diese Gebiete als un- 
mittelbares Reichsland mit dem Deutschen Reiche für immer vereinigt. 
Durch Gesetz vom 31. Mai 1911 hat Elsaß-Lothringen eine Verfassung 
erhalten und gilt als Bundesstaat? im Bundesrate führt es drei Stimmen. 
Diese Stimmen werden nicht gezählt, wenn sie allein den preußischen Stimmen 
die Mehrheit geben würden oder wenn über Änderungen der Verfassung ab- 
gestimmt wird. 
Die Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen übt der Kaiser aus. An der Spitze 
der Landesregierung steht ein Statthalter, der vom Kaiser unter Gegen- 
Zeichnung des Reichskanzlers ernannt und abberufen wird. Der Statthalter, 
der in Straßburg residiert, ernennt und instruiert die Bevollmächtigten zum 
Bundesrat und gegenzeichnet die Anordnungen und Verfügungen des Kaisers, 
wodurch er die Verantwortlichkeit für sie übernimmt. Der Kaiser kann dem 
Statthalter landesherrliche Befugnisse übertragen. Der Umfang dieser Über- 
tragung wird durch kaiserliche Verordnung bestimmt, die vom Reichskanzler 
gegenzuzeichnen ist. 
Landesgesetze für Elsaß-Lothringen werden vom Kaiser mit Zustimmung 
des aus zwei Kammern bestehenden Landtages erlassen. Die Gesetzentwürfe 
über die Feststellung des jährlichen Landeshaushaltsetats werden zuerst der 
Zweiten Kammer vorgelegt und von der Ersten Kammer im ganzen an- 
genommen oder abgelehnt. 
Der Ersten Kammer gehören als Mitglieder an: die Bischöfe zu Straßburg 
und Metz sowie während der Sedisvakanz eines der Bistümer sein ältester 
Bistumsverweser, der Präsident des Oberkonsistoriums der Kirche Augsburgischer 
Konfession und der Präsident des Synodalvorstandes der reformierten Kirche, 
der Präsident des Oberlandesgerichts zu Colmar, ein ordentlicher Professor 
der Kaiser-Wilhelm-Universität Straßburg, ein Vertreter der israelitischen 
Konsistorien, je ein Vertreter der Städte Straßburg, Metz, Colmar und Mül- 
Hausen, je ein Handelskammervertreter derselben vier Städte, je zwei Land- 
wirtschaftsvertreter der Bezirke Oberelsaß, Unterelsaß und Lothringen (von 
denen je einer bäuerlicher Kleinbesitzer sein muß) und zwei Handwerksvertreter. 
Zusammen also 23 Mitglieder. Dazu treten in Elsaß-Lothringen wohnhafte 
Reichsangehörige, welche der Kaiser auf Vorschlag des Bundesrats ernennt 
und deren Zahl die der übrigen Mitglieder nicht übersteigen darf. Sobald 
durch Reichs- oder Landesgesetz eine Arbeitervertretung (Arbeitskammer) ge- 
schaffen ist, hat sie drei Vertreter des Arbeiterstandes als weitere Mitglieder 
in die Erste Kammer zu wählen. Wählbar sind nur Reichsangehörige, die in 
Elsaß-Lothringen ihren Wohnsitz haben und mindestens 30 Jahre alt sind. Die 
Mitgliedschaft der gewählten und ernannten Kammermitglieder dauert fünf Jahre. 
Die Zweite Kammer geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit 
geheimer Abstimmung nach Maßgabe des mit dem Verfassungsgesetz gleichzeitig 
angenommenen Wahlgesetzes hervor. Die Abgeordneten der Zweiten Kammer 
werden in Zeiträumen von fünf Iahren neu gewählt. Dem Kaiser steht es zu, 
die Kammern zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen, zu schließen und aufzulösen.
	        
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