Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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Weser ins Land der Cherusker und fing, durch Segest, ein ver- 
rätherisches Oberhaupt dieses Volkes, unterstützt, sogar an, den Herrn 
zu spielen, römisches Gerichtswesen gewaltsam einzuführen und den freien 
Deutschen Stockschläge und Henkerbeil aufzudringen. Da regte sich 
der Groll betrogener Gutmüthigkeit bei dem Volke, und es dachte 
darauf, den zudringlichen Fremdling los zu werden. Unter dem Volke 
der Cherusker stand ein Jüngling auf, der schon eine Zeit lang in 
römischen Heeren gedient, die Kunst des Krieges gelernt, als Geißel 
in Rom gewesen, und selbst die römische Ritterwürde erlangt hatte. 
Er hieß Hermann oder Armin. Ein schöner und gewaltiger Held, 
edeln Geschlechtes, untadelig an Sitten, klug wie wenige seines Volkes, 
von feuriger Beredsamkeit und glühend für die Freiheit, gewann er leicht 
die Herzen aller freigesinnten Männer und Jünglinge. In einer nächt¬ 
lichen Versammlung schwuren sie allen Römern in Deutschland den 
Untergang. So geheim indeß diese Unternehmung betrieben wurde, so 
erfuhr sie doch Segest, und weil dieser ehrgeizige Mann nichts so sehr 
als die Freiheit des Volkes haßte und überdem mit Armin, der ihm 
seine schöne und freigesinnte Tochter Thusnelda entführt hatte, in 
bitterer Fehde lebte, so. verrieth er sogleich das ganze Vorhaben. 
Varus aber lachte darüber und hielt die Deutschen für zu dumm und 
sich für zu mächtig, als daß er irgend eine Gefahr zu fürchten hätte. 
Als der Herbst des Jahres 9 nach Chr. gekommen war und die 
in Norddeutschland gewöhnlichen langen Regengüsse bevorstanden, schritt 
Hermann zur Ausführung des Planes. Varus wurde von allen Seiten 
angegriffen. Der Himmel selber war mit den Deutschen zum Unter¬ 
gänge der Römer verschworen. Ungewitter brachen los, unendlicher Regen 
strömte nieder und die Gebirgswässer schwollen zu Strömen an. Plötzlich 
erscholl in dem Brausen des Waldes und der Gewässer der fürchter¬ 
liche Kriegsgesang der Deutschen. Erschrocken standen die Römer, die 
sich durch die engen Thäler mühsam fortschleppten. Da wurden sie 
von allen Seiten mit einem Hagel von Steinen, Pfeilen und Wurf¬ 
lanzen überschüttet. Dann stürzten die Deutschen von den Höhen nieder 
zum Handgemenge. Grauen und Entsetzen ergriff die Römer. Sie 
zogen auf einer waldlosen Ebene hin und hielten so ziemlich Ord¬ 
nung, erlitten aber auch hier Verlust und kamen wieder in die Wald¬ 
gebirge (bei Detmold). Da öffnete sich ihnen ein unwegsames 
Thal, in dem ihnen wieder große Schaaren von Deutschen auflauerten 
und ihre Niederlage vollendeten; das geschah im teutoburger Walde. 
Varus stürzte sich in sein Schwert. Nur wenige Römer entkamen; alle 
andern wurden erschlagen oder gefangen. 
Hermann feierte den Göttern große Opferfeste und weihte ihnen 
alle Todten und alle Beute, also daß die Römer unbegraben auf dem 
Felde liegen bleiben mußten. Die Hauptleute unter den Gefangenen 
wurden am Opferaltar geschlachtet. 
Als die Römer am Rhein' von dieser Niederlage hörten, verstärkten 
sie sich in aller Eile; denn sie glaubten nicht anders, als daß die
	        
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