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denn sein Magen und sein Hunger sind groß und die Inselten gar klein. Den
ganzen Tag sieht er deshalb umher, um sein täglich Brot zu erwerben; im
schnellen Fluge schnappt er die Raupen, die auf den Kräutern der Waldwiesen
fihen, oder streift durch die Wipfel der Eichen und befreit die jungen Blätter
bon ihren Feinden. Er frißt zur Strafe sie alle, die ihm sein grünes Haus
Herderben. Viele dieser Raupen sind aber mit langen, schwarzen Haaren besetzt;
diese stechen sich in den Magen des Kuckucks ein, ohne ihm jedoch zu schaden,
sodaß solcher Kuckucksmagen inwendig aussieht wie ein Stückchen Pelz und man
zuerft glaubte, es seien diese Haare darauf gewachsen. Männchen und Weibchen
sind beim Kuckuck sich ganz ähnlich in der Kleidung, jung ist das letztere braun
Und wird erst später grau, ihre Stimmen aber sind verschieden. Der Vogel,
welcher „Kuckuck“ ruft, ist stels ein Männchen; das Weibchen vermag nur ein
Geschrei zu machen, das einem Lachen sehr ähnlich klingt. Die beiden treiben
nun ein wunderliches Spiel.
Sobald die üͤbrigen Zugvögel sich aus den fernen Landen wieder einge—
funden haben, in denen sie den Winter verlebten, und nun anfangen, ihre Nester
zu bauen oder die alten auszubessern, sieht der Kuckuck mit seinem Weibchen
ihnen zu. Jene tragen Halme und Moos, Reisig und Wolle zusammen und
bereilen alles sauber, weich und warm und freuen sich über das wohlgelungene
Werk. Der alle Kuckuck aber baut kein Nest, — er ist der einzige Vogel bei
uns, der es nicht tut, — sondern ruft pfiffig und schlau bloß sein Kuckuck,“ und
sein Weibchen lacht. Die Rotkehlchen, Grasmücken und andre Waldsänger legen
ihre kleinen Eier in die fertigen Nester und fliegen aus um noch einen guten
Bissen zu nehmen oder einen frischen Trunk zu tun, ehe sie sich zum Brüten
niedersehen. „Guck, guck!“ ruft der Schelm seinem Weibchen zu. Das fliegt
leise herbei und schaus genau zu, ob es auch ein Nest von einem solchen Vogel
sei, dessen Nahrung für sein eigenes Kind gut tauge. Es wirft nun so viele
Eier aus dem Neste heraus, bis genug Platz wird, legt ein Kuckucksei dafür
hinein, fliegt fort und lacht über den Tausch. Die kleinen Vöglein kehren zu⸗
cück. „Guck, guck!“ ruft spaßend der schlaue Alte; aber sie sind zu harmlos,
sehen nicht zu, merken's gar nicht, daß ihre eigenen Eier zerbrochen unten im
Busche auf den Steinen liegen und ein fremdes im Neste ist, sitzen und brüten
so emsig und freuen sich im voraus auf die niedlichen Jungen. Die jungen
Rotkehlchen schlüpfen aus den noch übrigen Eiern aus, der junge Kuckuck auch;
nun len die allen Rotkehlchen nach Futter, um die hungrigen, offenen Schnäbel
zu füllen; doch der junge Kuckuck ist der größte; er schlingt schreiend jeden
Bissen hinweg. Die armen kleinen Nestbrüder verschmachten; ja, wenn er größer
geworden ist und der Platz ihm zu eng wird, wirft er sie unbarmherzig hinaus.
Dann kommen sie im nassen, kalten Grase um oder werden von Katzen und
Wieseln gefressen. Je größer der junge Kuckuck wird, desto unartiger zeigt er
sich. Er gehorcht seinen Stiefeltern nicht und beträgt sich sehr schlimm gegen
seine Wohlläter. Außerordentlich groß ist seine Freßgier, und nicht selten erfaßt
er den Kopf des Vögleins mit seinem Schnabel und beißt es blutig, wenn er
den Wurm erschnappen will, den dieses ihm bietet. Naht sich dem Neste ein
Kind, das Erbbeeren und Blumen im Walde sucht, und will sich über das
junge Vöglein freuen, so sieht er es zornfunkelnd an, sträubt wild seine Federn,
legt sich auf den Rücken und sucht mit dem weiten Schnabel und den Krallen
die Hand zu ergreifen, die sich nach ihm ausstreckt. Sind ihm endlich Federn
und Flügel gewachsen, so wagt er sich aus dem Neste, das ihm jetzt viel zu
eng ist, hüpft von Zweig zu Zweig, und seine Pflegeeltern tragen ihm trotz