Full text: Weimarisches Lesebuch

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3. Er hat hinabgenommen 
des Reiches Herrlichkeit 
und wird einst wiederkommen, 
mit ihr zu seiner Zeit. 
H. Der Stuhl ist elfenbeinern, 
darauf der Aaiser fitzt; 
der Tisch ist marmelsteinern, 
worauf sein Haupt er stützt. 
5. Sein Bart ist nicht von flachse, 
er ist von Heuersglut, 
ist durch den Tisch gewachsen, 
woraus sein Ainn ausruht. 
6. Er nickt als wie im Traume, 
sein Aug' halb offen zwinkt; 
und je nach langem Raume 
er einem Anaben winkt. 
7. Er spricht im Schlaf zum Anaben: 
„Geh hin vors Schloß, o Zwerg, 
und sieh, ob noch die Raben 
herfliegen um den Berg. 
8. Und wenn die alten Raben 
noch fliegen immerdar, 
so muß ich auch noch schlafen 
verzaubert hundert Jahr." Friedrich Rückert. 
235. Der Hirt auf dem Ayffhäuser. 
Etliche sprechen, daß bei Hrankenhausen in Thüringen ein Berg 
liege, darin Aaiser Friedrich seine lvohnung habe und vielmal ge¬ 
sehen worden sei. Ein Schafhirt, der aus dem Berge hütete und 
die Sage gehört hatte, sing an, auf seiner Sackpseife zu pfeifen, und 
als er meinte, er habe ein gutes Ständchen gebracht, rief er über¬ 
laut: „Aaiser Friedrich, das sei dir geschenkt!" Da soll sich der 
Aaiser gezeigt und zu dem Schäfer gesprochen haben: „Gott grüß 
dich, Männlein, wem zu Ehren hast du gepfiffen?" „Dem Aaiser 
Friedrich", antwortete der Schäfer. Der Aaiser sprach weiter: 
„Hast du das getan, so komm mit mir; er soll dir darum lohnen." 
Der Hirt sagte: „Ich darf nicht von den Schafen gehen." Der 
Aaiser aber antwortete: „Holge mir nach, den Schafen soll kein 
Schaden geschehen." Der Hirt folgte ihm, und der Aaiser Friedrich
	        
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