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Uralgebirge steigt das Land sehr allmählich an. Der Ural erreicht bei einer be¬
deutenden, alle europäischen Gebirge übertreffenden Länge nur die Höhe unserer
Sudeten und kann an mehreren Stellen bequem von Straßen und Eisenbahnen
überschritten werden, besonders bei Jekaterinburg, wo die Paßhöhe noch nicht
400 m erreicht. Nach 0. fällt er steiler ab, nach N. setzt er sich in mehreren Inseln
fort und nach S. teilt er sich in mehrere Kämme. Steiler und höher ist das Jaila-
gebirge, eine westliche Fortsetzung des Kaukasus und mit ihm im Winter durch die
eisbedeckte Straße von Kertsch verbunden.
So ist Rußland besonders nach W. und 0. dem Verkehr geöffnet, dem es
auch im Innern des Landes keine Hindernisse bietet. Da es die bequemste Ver¬
bindung mit Asien hat, war und ist es das Durchzugsgebiet der von Asien nach
Europa vordringenden Kriegs- und Handelsunternehmungen, aber auch der
Zwischenträger von Krankheiten, besonders der Cholera. Anderseits begünstigt
die Bodenform den Ackerbau, besonders im S., wo sich äußerst fruchtbare Ge¬
biete befinden.
Die Flüsse kommen bei dem Fehlen von höheren Bergen fast alle aus der
Mitte des Landes und strömen von dort nach allen Seiten auseinander; die nach
S. gerichteten erreichen ihr Ziel durch einen eigentümlichen Knick ihres Laufes.
Sie alle haben riesige Wassermengen, die besonders zur Zeit der Schneeschmelze
auf lange Zeit hin für den Verkehr vollkommen ausreichend sind, können leicht
miteinander verbunden werden, haben aber den Nachteil, daß sie einen großen
Teil des Jahres hindurch mit Eis bedeckt sind. Immerhin bilden sie vorzügliche
Verkehrswege. Der größte von ihnen und zugleich der größte Strom von Europa
ist die Wolga (d. i. der Große Fluß). Sie empfängt zwei große Nebenflüsse, die
Oka (spr. Aka) mit der Moskwa und die Kama und mündet mit einem großen
Delta in das Kaspische Meer. Ihre und des gleichfalls ins Kaspische Meer mün¬
denden Uralflusses Wassermengen reichen aber nicht aus, um die verdunsteten
Wassermengen wieder zu ersetzen; deshalb liegt der Spiegel dieses größten Binnen¬
sees der Erde 26 m unter dem des Mittelländischen Meeres, und ein breiter Küsten¬
streifen bildet eine unter dem Meeresspiegel liegende große Senke, eine sogenannte
Depression. In dieser befinden sich größere und kleinere Salzseen. Der zweit¬
größte Fluß ist der in das Schwarze Meer mündende Dnjepr, der durch seine Neben¬
flüsse mit der Weichsel in Verbindung steht. An seinem Zuflüsse Pripet dehnen
sich große Moorstrecken, die Rokitnosümpfe, aus; im Oberlaufe bekommt er als
Zufluß die in der Geschichte bekannt gewordene Beresina. Nach S. strömen ferner
der Dnjestr und der Bug in das Schwarze Meer und der Don in das flache Asowsche
Meer. In das Baltische Meer fließen der Njemen (d. i. der Deutsche Fluß), der auf
deutschem Gebiete den Namen Memel führt, die Düna und die Newa. Die in das
Weiße Meer fließenden nördlichen Ströme, die Dwina und die Petschora, liegen
in einer so kalten Gegend, daß sie nur einen kurzen Teil des Jahres hindurch für
die Schiffahrt in Betracht kommen.
Große Seebecken ziehen sich von dem Finnischen Meerbusen herüber zum
Weißen Meere. Die beiden größten, der Ladogasee und der Onegasee, sind mit¬
einander durch einen Flußlauf verbunden, stehen durch die Newa mit der Ostsee
und durch einen Kanal mit der Wolga in Verbindung. Der südwestlich von ihnen
gelegene Peipussee hat ebenfalls einen Abfluß zum Finnischen Meerbusen. Nördlich
davon liegen zahllose Seen, so daß man Finnland als das Land der tausend Seen
bezeichnet hat.