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45. Die Sterntaler.
Jakob und Wilhelm Grimm.
Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutier
gestorben, und es war so arm, daß es kein Kämmerchen hatte, darin zu
wohnen, und kein Vettchen mehr, darin zu schlafen, und endlich gar nichts
mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand,
das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte. Es. war aber gut und
fromm. Und weil es so von aller Welt vergessen war, ging es im Ver¬
trauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld. Da begegnete ihm ein
alter Mann, der sprach: „Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so
hungrig/' Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: „Gott
segne dir's!" und ging weiter. Da kam ein Kind, das jammerte und
sprach: „Es friert mich so an meinem Kopf, schenke mir etwas, womit
ich ihn bedecken kann!" Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm.
Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und
hatte kein Leibchen an und fror,- da gab es ihm [eins; und noch weiter,
da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich
gelangte es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden, da
kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen
dachte: „Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl
dein Hemd weggeben," und zog das Hemd ab und gab es auch noch
hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal
die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Taler; und
ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das
war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein
und war reich für sein Lebtag.
46. Klein-Marthe.
Hans Aanrud.
1.
Es war am frühen Morgen. Auf einem Hügel dem Gutshofe
gerade gegenüber saß Klein-Marthe, ein kleines, achtjähriges Mädchen,
und sah nach dem großen Birkenwald hinüber, der sich den Hang hinauf
erstreckte. Ab und zu schob Klein-Marthe das gemusterte Kopftuch vom
Ohr zurück und lauschte gespannt.