Full text: Lehrstoff der mittleren und oberen Klassen (Teil 2)

§ 98. Bestimmung der geographischen Länge und Breite usw. 
Für zwei Orte, die durch eine Telegraphenleitung miteinander verbunden sind, 
läßt sich nun diese Zeitdifferenz außerordentlich genau bestimmen. Ist eine Telegraphen- 
leitnng nach einem Orte nicht vorhanden, so sind bei der Längenbestimmung für den- 
selben kleine Fehler allerdings nicht ganz zu vermeiden, weil auch die besten Uhren 
kleine Unregelmäßigkeiten im Gange zeigen. 
Im frühen Altertum galt die Erde als eine flache Scheibe, über 
welche sich der Himmel als eine bewegliche kristallene Schale wölbe. Der 
erste, der die Kugelgestalt der Erde lehrte, war Pythagoras (560—490 
v. Chr.), doch nicht aus mathematischen Gründen, sondern weil er annahm, 
daß der Erde die vollkommenste Körperform zukommen müsse. Einen auf 
wirklicher Beobachtung beruhenden Beweis für die Kugelgestalt der Erde 
brachte Aristoteles (384—322 v. Chr.) bei, indem er zeigte, daß bei Mond- 
finsternissen der Erdschatten auf der verfinsterten Mondscheibe immer kreis- 
förmig ist, was nur bei einer kugelförmigen Gestalt der Erde möglich ist. 
IST 
y\ 
AT \ 
Abb. 60. 
5 
Abb. 61. 
Um die Größe der kugelförmigen Erde zu berechnen, ist es nur nötig, 
die Länge des Bogens von 1 Grad auf einem größten Kreis der Erdober- 
fläche zu messen. Dieselbe mit 360 multipliziert, gibt dann den Erdumfang 
aus welchem wiederum der Erdradius berechnet werden kann. 
Bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts galt die Erde als eine vollkommene 
Kugel. Die seit dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts vorgenommenen 
Gradmessungen, welche die älteren bedeutend an Genauigkeit übertrafen, 
zeigten aber, daß die Meridiangrade vom Äquator nach den Polen an Länge 
zunehmen. Daher muß die Erde die Gestalt eines an den Polen 
abgeplatteten Rotationsellipsoids haben, eines Körpers, den man 
sich durch Drehung einer Ellipse um ihre kleine Achse entstanden denken kann. 
Ist nämlich die Erde eine vollständige Kugel, so sind alle Meridiane Kreise, und 
die Meridiangrade müssen daher in allen Breiten gleiche Länge haben. Ist aber die 
Erde ein an den Polen abgeplattetes Rotations-Ellipsoid, so sind die Meridiane Ellipsen, 
deren große Achse ein Äquator-Durchmesser, deren kleine die Erdachse ist. Ihre Krüm- 
mung ist nicht mehr überall die gleiche, sondern am stärksten am Äquator, am schwächsten 
an den Polen. Der Breitenunterschied zweier Punkte des Meridians ist der Winkel, 
den die auf den Horizontebenen der beiden Punkte errichteten Senkrechten (Normalen)
	        
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