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Die Gegend, in welcher sich der Feind aufgestellt hatte, war für
ihn sehr günstig. Er war durch einen kleinen Fluß, die Bistritz,
pel. jenseits desselben erhoben sich Hügel; auf dem hoͤchsten
unkte derselben lag das Dorf Chlum, dessen Kirche weithin sicht—
bar war. Die ansteigenden Höhen waren von den Ästerreichern be—
setzt, und ihre Kanonen in mehreren Reihen hinter- und übereinander
so aufgestellt, daß sie das Flußthal vollständig beherrschten. Auch
waren sie durch Dörfer, Waldungen u. dergl. gedeckt; man sah daher
von ihnen wenig. Die Preußen aber waren den feindlichen Kanonen
und dem Kleingewehrfeuer ausgesetzt. Da nun Benedek seine ge—
samten Streitkräfte der ersten und der Elbarmee entgegenstellte, so
ging es bei diesen nur langsam vorwärts; eine Zeitlang stand das
Gefecht, und der Erfolg wurde für die Preußen unsicher. Da schau—
ten der König und seine Generale mit Verlangen nach der Armee
des Kronprinzen aus, wie in der Schlacht von Belle-Alliance
Wellington mit Ungeduld Blücher und sein zur Hülfe herbeieilen—
des Heer erwartete. Endlich um 2 Uhr trafen nach einem höchst
ermüdenden Marsche die Armeekorps des Kronprinzen auf dem
Schlachtfelde ein und griffen den Feind von der rechten Seite her
mit Tapferkeit an. Waͤhrend nun Prinz Friedrich Karl von vorne
auf ihn los ging, und die Elbarmee seinen linken Flügel faßte,
drang der Kronprinz auf den rechten ein.
Die erste und die Elbarmee waren seit frühem Morgen im
Kugelregen; aber neu belebt drangen sie unter den Klängen von
„Heil dir im Siegerkranz!“ gegen die Höhe vor. Der Feind wurde
von allen Seiten so gedrängt, daß ihm bloß noch ein Ausweg nach
Königgrätz hin blieb. Dahin begann er zu fliehen. Jetzt stellte
sich der König selbst an die Spitze der Kavallerie und reitenden
Artillerie, um den Feind nach der Elbe hin zu verfolgen. Viele
Tausende wurden gefangen; Kanonen und Munitionswagen blieben
in Menge stehen; die Auflösung des Feindes war so groß, daß sich
die Massen wirr durcheinander wie ein Knäuel fortwälzten, und alles
über Hals und Kopf davon lief, um sich nach Königgrätz und über
die Elbe zu retten. Diese aber versperrte den Weg. Viele von den
fliehenden Feinden fanden in ihr den Tod. Die Niederlage der
Osterreicher und der mit ihnen verbündeten sächsischen Truppen wurde
eine vollständige. Die gewaltige Armee, welche bestimmt war, im
Siegeslaufe durch Schlesien und die Mark Brandenburg nach Berlin
zu gehen, war völlig aufgelöst und vermochte Böhmen nicht mehr
zu halten.
Gegen Abend traf der König mit dem Kronprinzen auf dem
Schlachtfelde zusammen. Er umarmte mit Freudenthränen seinen
Sohn und hängte ihm eigenhändig einen Ordensstern um den Hals.
Dies war der Erfolg der Schlacht, in welcher der König selbst
seine Truppen zum Kampfe führte. Die Schlacht bei König—
grätz hat er sie genannt. Es ist die größte Schlacht, welche Preußen,
so lange es besteht, allein geschlagen, und der größte Sieg, den
Preußen allein errungen hat. Eduard Bock.